Killing time
zwei Straßenzügen bestand, die einander kreuzten. Da sie erst gegen sieben in Verona waren, herrschte kaum noch Verkehr. An der Eisenbahnstrecke, die über die Hauptstraßen führte, stoppte Bernie kurz und blickte nach rechts und links, bevor sie weiterfuhr. Im Augenwinkel sah sie, wie Jim eine Nummer in sein Handy tippte, und hörte ihn Rons Namen sagen, bevor er den Hilfssheriff über den neuesten Stand in Kenntnis setzte.
»Wir sind jetzt auf dem Weg zum College. Rufen Sie uns an, sobald Sie wissen, wo Dr. Kelley steckt. Falls Sie ihn finden.« Jim steckte das Handy wieder an seinen Gürtel.
»Mir gefällt das nicht.« Hinter den Gleisen bog Bernie nach rechts auf die Landstraße 157 . »Wir sind ziemlich sicher, dass Stephanie Preston in der Nacht, als sie entführt wurde, Probleme mit ihrem Wagen hatte, und nun hat Thomasina Hardy einen Platten. Wenn sie allein ist …«
Jim stieß einen unverständlichen Laut aus.
»Falls wir es mit einem Serienkiller zu tun haben …«
»Falls?« Jim knurrte das Wort förmlich. »Wieso sagen Sie immer noch
falls?
«
»Ich sage
falls,
weil wir noch nichts Genaues wissen. Ja, die Ähnlichkeit der Geschenke, die Stephanie erhielt, mit denen, die Thomasina beschrieb, lässt sich nicht leugnen, aber vielleicht handelt es sich auch um einen grausamen Zufall.«
»Das glauben Sie genauso wenig wie ich.«
Bernie musste an die furchtbaren Dinge denken, die der Psychopath Stephanie Preston angetan hatte. Was, wenn er Thomasina Hardy schon hatte? Was, wenn sie zu spät kamen, um sie zu retten? Bernie wurde übel bei der Vorstellung, und sie fürchtete, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Sie schluckte angestrengt gegen die Übelkeit an.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte Jim.
»Ja, ich bin okay. Warum fragen Sie?«
»Weil Sie irgendwie merkwürdig aussehen. Als müssten Sie sich gleich übergeben.«
»Ich sagte, ich bin okay«, erwiderte sie viel zu schroff. »Entschuldigung. Ich lasse meinen Frust an Ihnen aus, und das ist unfair. Es ist nur so, dass mich der Gedanke, wir könnten es mit einem Serientäter zu tun haben, regelrecht verrückt macht vor Sorge. Und unter uns, ich bin nicht sicher, ob ich mit einer Situation wie dieser umgehen kann.«
»Atmen Sie ein paarmal tief durch«, sagte er. »Und hören Sie gut zu, was ich Ihnen jetzt erzähle.«
Während sie über die Landstraße 157 rasten, wagte Bernie es, ganz kurz zu Jim zu sehen. Er blickte sie streng an, und sie konnte nicht anders, als seine Anweisung zu befolgen und tief durchzuatmen.
»Kein Polizist und kein Sheriff ist einer solchen Situation je gewachsen«, sagte Jim ruhig. »Selbst wenn er – oder sie – schon Erfahrungen mit dieser Art Täter hat. Es ist nichts dabei, zuzugeben, dass Sie besorgt sind und dass Sie Angst haben.«
Jims Stimme hatte tatsächlich eine beruhigende Wirkung auf sie. Komisch, dachte sie. Vor einer Minute noch hatte sie das Gefühl gehabt, jeden Moment aus der Haut zu fahren. Und nun verlangsamte sich ihr Herzschlag wieder auf beinahe normal, und ihre Übelkeit schwand. All das nur dank Jims ruhiger Stimme und seiner sachlichen Art.
»Sie ahnen ja nicht, wie schwierig das für mich ist. Ich bin nicht nur der erste weibliche Sheriff in Adams County, sondern auch noch der jüngste. Und – jetzt bitte einen Tusch – ich bin R. B. Grangers Tochter. Ich habe nicht den Hauch einer Chance, dem Ruf meines Vaters jemals gerecht zu werden.«
Gut gemacht, Bernie, sagte sie zu sich selbst. Gib nur gegenüber deinem Chief Deputy zu, wie unsicher und verängstigt du bist. So gewinnst du garantiert seinen Respekt.
»Als Sie sich zur Wahl des Sheriffs aufstellen ließen, wie sehr war Ihre Entscheidung da von Ihrem eigenen Wunsch bestimmt und wie sehr von dem Wunsch Ihres Vaters?«
Jim hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Er sprach die Frage aus, die sie sich selbst nie zu stellen wagte. Durchschaute sie jeder so leicht, oder dachten die meisten Menschen gar nicht erst darüber nach?
»Wollen Sie eine ehrliche Antwort? Ich weiß es nicht.«
»Und wie ist es heute? Sie sind schon einige Jahre Sheriff. Mögen Sie Ihren Job? Sind Sie froh, dass Sie Sheriff sind?«
»Ja, ich mag meinen Job, meistens jedenfalls. Und ja, ich bin froh, Sheriff zu sein, nur eben heute Abend nicht. Im Moment eigentlich gar nicht.« Sie fuhr konstant zweiundfünfzig Meilen die Stunde, obwohl die Höchstgeschwindigkeit bei fünfundvierzig lag, als sie durch Sunflower Creek kamen. »Ich befürchte,
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