Killing time
sowohl ihr Handy als auch ihr Pfefferspray in der Tasche.
Sie blickte auf die beleuchtete Digitaluhr am Armaturenbrett. Zwölf Minuten vor sieben. Sie war zu spät, aber da es nur noch eine Viertelstunde bis zum College war, sollte sie genug Zeit haben, den Test mit ihren Studenten zu schreiben.
Plötzlich, ohne jede Vorwarnung, zog ihr Wagen nach rechts. Gleichzeitig hörte sie ein Rumpeln und fühlte ein Holpern. Sie hatte einen Platten. Nein! Das konnte doch nicht wahr sein. Warum ausgerechnet heute Abend?
O Gott, hilf mir!, flehte sie inbrünstig.
Da sie wusste, dass ihr nichts anderes übrigblieb als anzuhalten, drosselte sie den Motor und suchte nach einer Stelle, an der sie sicher am Straßenrand stehen bleiben konnte. Natürlich musste sie mitten in der Einöde einen Platten haben, wo weit und breit kein Haus stand. Hier draußen auf dem Land lagen die Häuser sehr weit auseinander, und dazwischen waren oft über Hunderte von Metern nichts als Felder. Die neue Wohnsiedlung, die man vor ein paar Jahren gebaut hatte, lag ebenfalls ein ganzes Stück von der Hauptstraße entfernt. Wohin sie auch schaute, waren nur weite Felder und kleinere Baumgruppen.
Da vorn ist eine günstige Stelle, sagte sie sich, als sie eine Einfahrt entdeckte, die früher auf einen Feldweg geführt haben musste, nun aber von Unkraut und Gras überwuchert war. Hastig bog sie nach rechts von der Straße ab und hielt an. Sie ließ den Motor und die Lichter an und brachte den Schalthebel in die Parkposition. Als sie die Hände vom Lenkrad nahm, atmete sie tief durch. Bleib ganz ruhig. Du bist nicht in Gefahr. Du kannst Hilfe rufen.
Sie griff nach ihrer Handtasche auf dem Beifahrersitz und holte ihr Handy heraus. Dann tippte sie die Kurzwahl für zu Hause ein. Als ihre Mutter nach dem dritten Klingeln abnahm, seufzte Thomasina erleichtert und drehte das Radio leiser. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass ihre Mutter heute nach Huntsville gefahren war und eigentlich noch nicht zurück sein sollte.
»Mom? Gott sei Dank. Warum bist du schon zurück?«
»Rose fühlte sich gar nicht gut, deshalb sind wir früher nach Hause gefahren. Sie glaubt, dass sie diese Sommergrippe bekommt, die gerade umgeht.«
»Das tut mir leid für Rose, aber ich bin heilfroh, dass du zu Hause bist.«
»Ist alles in Ordnung, Thomasina? Du klingst so seltsam.«
»Mir geht es gut, aber ich habe einen Platten. Schickst du mir Tommy, damit er meinen Reifen wechselt.«
»Ach, wie dumm. Dein Bruder ist nicht zu Hause. Ich glaube, er ist nach der Arbeit noch mit ein paar Kollegen unterwegs. Und du weißt ja, wie das ist. Er wird frühestens in ein oder zwei Stunden wieder hier sein. Aber ich rufe bei Amanda an und schicke dir Mike. Wo bist du genau?«
»Ich bin ungefähr eine Viertelstunde vom College entfernt«, sagte Thomasina. »Etwa eine Meile hinter Sunflower Creek.«
»Ich schicke dir Mike so schnell wie möglich, Kleines. Du lässt deine Türen verriegelt, hast du gehört?«
»Ja, Ma’am, ganz bestimmt.«
»Hast du dein Pfefferspray dabei?«
»Ja, habe ich.«
»Wag es ja nicht, aus dem Wagen zu steigen, egal was passiert. Du bleibst im Auto, bis Mike da ist.«
»Ja, mach ich.« Wie gut, dass ihre Mutter nichts von den Briefen, Geschenken und Zeichnungen ihres heimlichen Verehrers wusste, sonst wäre sie außer sich vor Sorge.
»Wenn du willst, rufe ich dich an, wenn Mike losfährt.«
»Nicht nötig. Ruf mich nur an, wenn er aus irgendwelchen Gründen nicht kommen kann.«
»Okay. Möchtest du, dass wir uns noch ein bisschen unterhalten?«, fragte ihre Mutter. »Du bist bestimmt nervös, ganz allein da draußen. Aber denk nicht daran, dass etwas passieren könnte. Schließlich ist Adams County einer der sichersten Flecken auf der Erde, abgesehen von dem armen Preston-Mädchen, das ermordet wurde.«
Na, prima. Wie überaus feinfühlig von ihrer Mutter, sie daran zu erinnern, dass gerade eine junge Frau umgebracht worden war, die ungefähr in ihrem Alter war und ihr auch noch entfernt ähnlich sah. Andererseits wusste ihre Mutter ja nichts von dem, was sie in letzter Zeit erlebt hatte, nichts von der idiotischen Phantasie, um einen Mann herum gesponnen, der nicht einmal mit dem identisch sein musste, der sie mit Briefen und Geschenken zu verführen versuchte …
»Thomasina, bist du noch da?«
»Ja, Mom. Ich muss jetzt Schluss machen, damit ich im College Bescheid sagen kann, dass sie jemand anderen in meinen Kurs schicken. Ruf mich nur an, wenn Mike
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