Killing time
legte Jim seinem Sohn die Hand auf die Schulter. »Setzen wir uns einen Moment, dann erzähle ich dir, was Allen gesagt hat.«
Sie gingen zur breiten Holzterrasse, welche die Veranda vom Poolbereich trennte, und setzten sich auf zwei der gepolsterten Holzgartenstühle.
»Sie haben deiner Mutter die linke Brust entfernt«, begann Jim. »Jetzt untersuchen sie den Lymphknoten, den sie mit herausoperiert haben, und in ein paar Tagen wissen sie, ob der Krebs sich ausgebreitet hat. Auf jeden Fall wird deine Mom eine Chemotherapie machen müssen, was bedeutet, dass ihr die Haare ausfallen und die Behandlung sie sehr müde und schwach macht. Außerdem wird ihr häufig schlecht sein.«
»Mom findet es bestimmt schrecklich, wenn ihr die Haare ausfallen.« Tränen glänzten in Kevins Augen.
Jim wollte seinen Sohn am liebsten in den Arm nehmen und an sich drücken. Er wünschte, er könnte ihm versprechen, dass alles wieder gut und seine Mutter ganz gewiss nicht sterben würde. Sei optimistisch, ermahnte er sich, aber auch ehrlich.
»Deine Mom ist eine starke Frau, eine Kämpfernatur. Sie wird sich ganz sicher nicht unterkriegen lassen.«
Kevin sah auf den Boden. »Sie wird nicht wollen, dass ich sie sehe, wenn ihr schlecht ist.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Dann dauert es noch lange, bis ich wieder zu ihr kann, stimmt’s?«
»Ich weiß, dass es hart für dich ist, sie nicht zu sehen, aber wir müssen jetzt vor allem an sie denken und daran, was sie will und braucht.«
Kevin blickte wieder auf und blinzelte mit den Augen. Tränen hingen ihm in den Wimpern. »Allen kümmert sich gut um sie. Er liebt sie.«
Jim schluckte. Er hörte, was sein Sohn nicht aussprach. Du hast dich nicht um sie gekümmert. Du liebst sie nicht. Die alten Schuldgefühle kamen wieder hoch. Er hätte bei Mary Lee bleiben können. Er hätte ihr vergeben können, dass sie mit anderen Männern schlief. Doch dafür hätte er seinen Stolz überwinden müssen. Und welcher Mann konnte schon das Bild von seiner Frau auslöschen, die mit einem anderen im gemeinsamen Ehebett vögelte? Jim hatte sie in flagranti ertappt und war kurz davor gewesen, beide zu töten. Selbst jetzt noch, nach all den Jahren, konnte er die Wut fühlen, die ihn damals gepackt hatte.
Aber Kevin wusste nicht, was seine Mutter getan hatte, und würde es, wenn es nach Jim ging, auch niemals erfahren. Außerdem war er noch viel zu jung, um es zu verstehen. Kevin wusste nur, dass sein Dad sich von seiner Mom hatte scheiden lassen. Und für ihn fühlte es sich an, als hätte Jim sich auch von ihm scheiden lassen.
»Sie stirbt nicht, oder?«, fragte Kevin mit tränenerstickter Stimme.
Jim biss die Zähne zusammen und betete, dass er das Richtige sagte und tat, als er die Hand ausstreckte und auf Kevins Knie legte.
»Das glaube ich nicht«, sagte er.
Brenda Granger öffnete die Terrassentür und rief den beiden zu: »Das Essen ist fertig, ihr zwei!«
»Komm«, sagte Jim, »gehen wir rein.«
Als Kevin aufstand, legte Jim einen Arm um seine Schultern. Kevin wich ein Stück zur Seite, ging jedoch neben Jim her ins Haus.
Jim saß an seinem Schreibtisch und studierte die Informationen, die er auf seine Suchanfrage beim Steckbrief-Programm des FBI hin bekommen hatte.
Es gab zahlreiche Frauen, die vergewaltigt, gefoltert und ermordet worden waren, und vielen von ihnen war die Kehle durchgeschnitten worden. Aber nur vier der Mordfälle waren identisch mit dem, was sie bisher über Stephanie Prestons und Jacque Reeves’ Entführung und Ermordung wussten. Und ein fünfter Mordfall wies einige Ähnlichkeiten zu ihren auf. Alle fünf Frauen waren im Südwesten der Vereinigten Staaten getötet worden und alle innerhalb der letzten fünf Jahre. Zwei in Georgia – Julie Patton und Michelle McMahon; eine in Tennessee – Courtney Pettus; eine in North Carolina – Sara Hayes, und eine in South Carolina – Shannon Elmore. Jim hatte keine Ahnung, ob diesen Frauen etwas anderes gemein war, außer dass sie alle Opfer brutaler Vergewaltigungen waren und ermordet wurden und die Vorgehensweise des Täters dieselbe war wie bei dem, der jetzt Frauen im Nordosten Alabamas nachstellte. Aber hieß das auch, dass alle Frauen von demselben Mann umgebracht wurden?
Dank des FBI -Programms hatte Jim Zugang zu den Namen der ermittelnden Detectives in allen Mordfällen. Er wollte jeden von ihnen anrufen, um so viele Informationen wie möglich zu bekommen. Je mehr er über ähnliche Fälle erfuhr, umso
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