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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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geschehen, denn der Fluss schien jeden Tag enger zu werden, die Ferienhausbesitzer säuberten ihn immer einmal im Sommer, und dieses Jahr waren sie noch nicht so weit gekommen.
    »Mit dem richtig und falsch kennt sie sich bestimmt aus, deine Mutter«, meinte Edmund, nachdem wir wieder auf richtigem Kurs waren. »Klar, man fühlt das, wenn man etwas falsch macht. Wenn man sich einem anderen gegenüber hässlich verhält oder so.«
    »Oder einen Kaugummiautomaten plündert?«, fragte ich.
    Edmund überlegte eine Weile.
    »Einen Kaugummiautomaten leer machen, das kann nicht ganz falsch sein«, meinte er dann. »Kaugummis sind Gift für die Jugend, das weiß ich nur zu gut.«
    »Aber so ganz in Ordnung kann es auch nicht sein?«, bohrte ich nach. »Bretter zu klauen und so.« »Na, so ein ganz bisschen«, räumte Edmund ein. »Aber das ist nur Kleinscheiß, wenn man es vergleicht mit. na, wenn man es eben vergleicht.«
    Plötzlich schaute er ganz finster drein, und mir wurde klar, womit er das verglich. Eine ganze Zeit lang schwiegen wir beide, aber dann zog er die Ruderblätter ins Boot und fing an, mit den Händen an seinem ganzen Körper herumzutasten.
    »Aber wo sie nun sitzt, das weiß der Teufel. Ich glaube, sie fliegt überall herum, die Seele. Wenn ich esse, dann sitzt sie im Magen. Wenn ich lese, ist sie im Kopf. Und wenn ich an Britt Laxman denke.«
    »Das genügt«, unterbrach ich ihn. »Ich habe verstanden. Du hast eine Nomadenseele, das kommt sicher daher, weil du in deinem Leben so viel umgezogen bist.«
    »Kann sein«, stimmte Edmund zu und nahm die Ruderblätter wieder auf. »Übrigens, hast du deinem Bruder eigentlich von der Prügelei im Lackapark erzählt?«
    »Nein«, sagte ich. »Warum fragst du?«
    »Weil ich in meiner Zigeunerseele spüre, dass das gut wäre.«
    Ich schwieg einige Sekunden.
    »Henry kommt immer zurecht«, erklärte ich dann. »Er ist zweimal zur See gefahren.«
    »Ach so«, sagte Edmund. »Ich dachte nur. Himmel, ist das heiß.«
    »Long hot summer«, sagte ich.
    »Das ist eine verflucht gute Scheibe«, sagte Edmund. »Aber es kann auf jeden Fall nicht schaden, wenn wir beide ein bisschen auf der Hut sind. Auf Henry und Ewa aufpassen, und was die beiden so treiben. Oder was meinst du?«
    »Weißer Mann reden mit gespaltener Zunge«, sagte ich.
    Das war einer der besten Sprüche, die ich kannte. Den konnte man in allen Lebenslagen anwenden, wenn man nicht gerade mit einem Indianer sprach, und Edmund fiel darauf auch nichts mehr ein.
    »Keine weiteren Fragen«, sagte er nur und ruderte weiter durch die Schilfrinne.
     
    ***
     
    Ein paar Nächte später wachte ich davon auf, dass Edmund schnaufend in seinem Bett saß.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragte ich.
    »Er muss sie mit dem Auto abgeholt haben«, sagte Edmund. »Im Killer. Ich habe kein Moped gehört.«
    »Wovon quatschst du?«
    »Hör doch«, sagte Edmund nur, und da hörte ich es auch.
    Zweierlei. Zwei verschiedene Geräusche.
    Das eine war Henrys Bett, das quietschte und knarrte. Rhythmisch und langsam. Das andere war Ewa Kaludis, die jammerte. Oder stöhnte. Oder gurgelte. Ich konnte es nicht genau bezeichnen, denn ich hatte noch nie gehört, dass eine Frau derartige Geräusche von sich gab.
    »Oioioi«, flüsterte Edmund. »Die rammeln ja, dass das ganze Haus wackelt. Ich glaube, ich platze gleich.«
    Ich wurde stinksauer, als ich solch unreifes Gewäsch hörte.
    »Halt die Schnauze, Edmund«, sagte ich. »So redet man nicht über diese Dinge.«
    Edmund sagte nichts mehr. Nur die Geräusche von Henrys Bett unten erklangen rhythmisch weiter und pflanzten sich hartnäckig durch die Nacht hindurch fort. Durchs Haus.
    »Entschuldige«, sagte Edmund. »Du hast natürlich Recht. Aber ich werde trotzdem mal rausschleichen und nachgucken.«
    »Nachgucken?«, wiederholte ich.
    »Klar«, bestätigte Edmund. »Wir können sie ja von der Treppe aus sehen. Unten gibt es doch kein Rollo. Nur damit wir auch was lernen. Nun komm schon mit und sei kein Feigling.«
    Zum ersten Mal in meinem vierzehnjährigen Leben bekam ich eine Erektion, die so steif war, dass sie wehtat.
     
    ***
     
    Edmund hatte wohl gedacht, wir könnten jeder auf einer Treppenstufe hocken und reingucken, aber das klappte nicht. Die wacklige Treppe ging zwar an der Außenseite des Giebels zu unserem Zimmer hoch, aber sie verlief ein Stück oberhalb von Henrys Zimmer. Wenn wir etwas sehen wollten, mussten wir uns schon ins Blumenbeet stellen - ins ungepflegte,

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