Kim Novak badete nie im See von Genezareth
Universum.
Ich erinnere mich, wie ich überlegte, ob das vielleicht etwas zu bedeuten hatte, unsere unterschiedlichen Frühstücksgewohnheiten. Ich selbst verputzte meine Brote und meinen Kakao in höchstens vier Minuten. Für Edmund dagegen war das Frühstück eine Art Ritual, das ungefähr wie das Abendmahl ablief, das der Priester in der Kirche servierte. Nicht, dass ich so viel Erfahrung mit Abendmahlsfeiern hatte, aber einmal hatte ich eine gesehen - als Henry vor Urzeiten konfirmiert worden war - und etwas Trägeres und Langweiligeres hatte ich nie wieder erlebt.
Also war es vielleicht ja doch bedeutsam, unser unterschiedliches Frühstückstempo. Vielleicht war es so ein Zeichen, das darauf hinwies, dass unsere Charaktere vollkommen unterschiedlich waren, Edmunds und meiner, und wenn einer von uns eine Frau gewesen wäre, dann wäre es unmöglich für uns gewesen, als Mann und Frau zusammenzuleben. Absolut unmöglich.
Ich musste bei diesem letzten Gedanken vor mich hinschmunzeln. Das waren natürlich nichts als Spekulationen, die ich da ausspann an diesem Morgen, während ich wartete, dass Edmund fertig wurde. Reine lächerliche Spekulationen, natürlich würde ich nie Edmund heiraten, wie sehr ich auch zur Frau werden würde, und ich nahm an, dass derartige Gedanken nur in meinem Kopf auftauchten, weil ich zu müde war, sie zu zügeln. Zu der Zeit ging es manchmal in meinem Kopf so zu: Wenn ich gesund und munter und wach war, herrschten Zucht und Ordnung, aber wenn ich zu wenig geschlafen hatte, konnte alles Mögliche auftauchen. Krebs-Treblinka-Liebe.
Wie auch immer, an dem Tag herrschte auch das schönste Wetter. Wir lagen vormittags auf dem Steg und lasen, und dann nahmen wir das Boot. Zuerst ruderten wir nach Fläskhällen und spielten dort ein paar Mal auf dem neuen Flipperautomaten. Wir bekamen kein Freispiel, es war überhaupt ein ziemlich geiziges und simples Spiel. Nachdem wir ein Eis gegessen hatten, ruderten wir auf die Möwenscheißinsel. Wir hatten in unserem Beutel Apfelsaft, ein paar Bücher und Oberst Darkin. Während Edmund sich zum fünften oder sechsten Mal auf Die Reise zum Mittelpunkt der Erde begab, versuchte ich mich an ein paar ziemlich anspruchsvollen Comics. Die nächtlichen Bilder von Ewa Kaludis' wippender Brust tanzten vor meinem inneren Auge, aber wie sehr ich mich auch bemühte, ich hatte nicht das Gefühl, sie auch nur annähernd so darstellen zu können, wie sie in Wirklichkeit ausgesehen hatten.
Nicht einmal ungefähr annähernd. Schließlich beschloss ich, keinerlei intensivere Liebesszenen mehr in Oberst Darkin zuzulassen. Ab jetzt und für die Zukunft. Das war nun einmal nicht mein Stil, und der des Obersts auch nicht.
Als wir das dreizehnte Mal gebadet hatten und gerade den letzten Apfelsaft öffneten, setzte Edmund seine Brille auf und sagte: »Ich habe so ein Gefühl.«
Ich überlegte eine Weile. Es klang ernst, und er sah dabei ungewöhnlich ernst aus.
»Wirklich?«, bemerkte ich.
»Ja«, bestätigte Edmund.
»Was für ein Gefühl?«
Edmund zögerte ein wenig. »Dass es bald verdammt ungemütlich werden wird.«
Ich trank einen Schluck. »Was soll denn verdammt ungemütlich werden?«, fragte ich.
Edmund seufzte und sagte, das wisse er auch nicht. Ich wartete ab, dann fragte ich, ob er das mit meinem Bruder und Ewa Kaludis meinte. Und mit Berra Albertsson.
Edmund nickte. »Ich glaube, ja«, sagte er. »Irgendwie muss da doch was passieren. Das kann doch nicht einfach so weitergehen. Das ist wie. das ist, als wenn man auf ein Gewitter wartet. Spürst du das nicht?«
Ich antwortete nicht. Plötzlich fiel mir ein, was mein Vater an diesem Maiabend daheim in der Küche in der Idrottsgatan gesagt hatte. Ein schwerer Sommer. Das wird ein schwerer Sommer.
Dann fiel mir wieder Ewa Kaludis ein. Und Mulles ohnmächtiger Kopf. Edmunds richtiger Papa. Die grauen Hände meiner Mutter auf der Krankenhausdecke. Hoffnungslos wie Milchsuppe mit Blaubeerspuren darin.
»Wir werden sehen«, sagte ich schließlich. »Wer weitermacht, wird's schon sehen.«
Es vergingen einige Tage. Die Hitze blieb uns erhalten. Wir badeten, lagen auf dem Steg und lasen, ruderten zu Laxmans und nach Fläskhällen. Es schien, als wäre alles wie immer. Henry saß im Schatten, schrieb und rauchte seine Lucky Strikes, und wir kümmerten uns gegen eine angemessene Bezahlung um die Verpflegung. Einen Fünfer oder einen Zehner. Abends fuhr Henry mit dem Killer davon und kam meist erst spät in der
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