Kim Novak badete nie im See von Genezareth
Spielraum, das hatte Henry uns erklärt, aber nicht zu viel. Danach bewunderten wir unser Werk eine Weile vom Ufer aus und schritten sodann langsam und würdevoll über die Planken. Sie waren etwas wacklig, und hier und da kam man mit den Füßen unter den Wasserspiegel, besonders, wenn man zu zweit drauf war, aber es funktionierte. Zum Teufel, wir hatten einen Steg gebaut.
Einen Pontonsteg und zwanzig Kronen. Wir sahen einander an.
»Spitzensommer«, sagte Edmund mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Alles im Kasten, wie sie in Ängermanland sagen.«
Ganz draußen war es fast zwei Meter tief, und wir schafften es, achtunddreißigmal zu tauchen, bevor Henry rauskam und schrie, dass die Pfannkuchen fertig seien. Wir aßen, als hätten wir noch nie zuvor etwas zu essen bekommen, und dann gingen wir wieder raus und sprangen noch achtunddreißigmal ins Wasser. Die Sonne wollte an diesem Abend anscheinend überhaupt nicht untergehen, deshalb legten wir uns auf den Steg, lasen und spielten Karten, nachdem Henry seinen Premierenköpfer gemacht und jedem den versprochenen Zehner gezahlt hatte. Kartenspielen war nicht ganz so einfach, man musste drauf achten, dass man in die richtige Windrichtung pisste - wie Edmund es in seiner nordländischen Art ausdrückte -, sonst wurden die Karten nass. Aber das war ja egal. Hauptsache war, dass wir auf den Brettern liegen konnten, die wir selbst geklaut und zusammengenagelt hatten. Und dass wir auf Tonnen schwammen, die wir selbst von den Laxmans geholt und nach allen Regeln der Kunst zusammengebunden hatten. Genau das war angesagt an diesem heißen Tag, der nie zu Ende gehen wollte. Auf seinem eigenen Steg liegen.
»Pik König«, sagte Edmund. »Da kommt ein Moped.«
Ich lauschte. Ja, das charakteristische Knattern eines Mopeds war durch den Wald zu hören. Ungefähr in der Höhe der Levis, wenn ich mich nicht irrte. »Ja«, sagte ich. »Ich passe. Ein Puch, glaube ich.«
Wir spielten noch ein paar Runden, während der Lärm näher kam. Als wir hörten, dass das Moped auf dem Parkplatz anhielt und der Motor abgestellt wurde, war es vorbei mit unserer Konzentration. Wenn wir vorher überhaupt so etwas gehabt hatten.
»Ach«, erklärte Edmund. »Ich habe keine Lust mehr zu spielen. Lass uns aufhören.«
»Von mir aus gern«, erwiderte ich und sammelte die Karten zusammen. Setzte mich aufrecht auf den Steg, die Beine im Wasser, und spähte zum Waldrand hinüber. Henry kam auf den Rasen heraus, und mir fiel auf, dass er seine Jeans und ein weißes Nylonhemd angezogen hatte.
Ich weiß nicht, ob ich so eine Vorahnung hatte - Edmund behauptete hinterher, dass er sie jedenfalls gehabt hätte -, aber eine gute Minute nachdem das Moped dort hinten an der Straße ausgestellt worden war, tauchte Ewa Kaludis auf dem Rasen von Genezareth auf. Sie trug ein kurzes weißes Kleid und ein rotes Hemd. Als sie Henry erblickte, strahlte sie und holte eine Weinflasche aus ihrer Schultertasche - und dann presste sie sich an sein weißes Hemd.
Im gleichen Moment bekam Edmund einen Schluckauf, ein Leiden, das mehrere Stunden lang anhielt.
»Oh Scheiße, hick«, sagte er. »Dein Bruder und Ewa Kaludis. Die waren es, hick, die ich gehört habe. oh Scheiße.«
Ich stand auf. Schwankte ein wenig und war kurz davor, ins Wasser zu fallen, fand aber doch mein Gleichgewicht wieder. Ging an Land. Henry und Ewa Kaludis wandten sich mir langsam zu. Edmund hatte wieder einen Schluckauf. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als könnte ich mich nicht mehr bewegen. Als wären meine Beine vollkommen gefühllos, und als müsste ich auf diesem Fleckchen Gras und Erde für den Rest meines Lebens stehen bleiben. In tropfender, verblichener Badehose, nun ja, die würde wohl irgendwann trocknen. Ich schluckte, schloss die Augen und zählte bis eins, dann sagte Henry:
»Ja, also, Erik, mein Bruder. Hier ist so einiges am Laufen, wie gesagt. Einiges ist am Laufen.«
»Hallo, Erik«, sagte Ewa Kaludis. »Und hallo, Edmund.«
»Hallo, hick«, sagte Edmund hinter mir. Er klang wie ein Frosch vom Seeufer her. Ich öffnete die Augen, und Beine und Zunge funktionierten wieder.
»Guten Tag, Fräulein Kaludis«, sagte ich. »Ich wollte grade aufs Klo. Bis gleich.«
***
Dort blieb ich eine Weile sitzen. Ich las die Seite Aus dem
Garten unseres Herrn aus einem alten Reader's Digest fünfzigmal. Ich weiß nicht, wo es wilder zuging - in der dreiviertelvollen, sommerheißen Abtritttonne unter mir oder in den
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