Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
aber im Augenblick - in dieser tödlichen Leere nach der Duftwolke - fühlte ich mich so verzagt, dass ich es kaum durchgestanden hätte.
    Edmund war nicht sehr viel munterer. Wir mummelten ein paar erbärmliche Würstchen mit Brot, aber ohne Senf, weil der uns ausgegangen war, sprangen einmal schnell vom Badesteg und gingen dann ins Bett.
    »Kein schönes Gefühl, Erik«, sagte Edmund, nachdem wir
    das Licht ausgemacht hatten. »Denk nur, wie schnell so ein Spitzensommer schief laufen kann. So verdammt schnell.« »Lass uns über die Sache schlafen«, sagte ich.
    Wir nehmen das Boot«, sagte Henry, mein Bruder, und das taten wir auch.
    Henry ruderte, und ich saß auf der Ruderbank. Es war wieder mal ein sonniger Tag mit ziemlich viel Wind - wir schnitten die Wellen auf unserem Kurs auf die Möwenscheißinsel. Ab und zu verpasste Henry einen Ruderschlag, und mir wurde klar, dass ich eigentlich viel besser rudern konnte als er. Außerdem war er mit Rauchen beschäftigt, während er ruderte, was den Schwierigkeitsgrad natürlich erhöhte. Als wir ein paar hundert Meter von der Insel entfernt waren, zog er die Ruderblätter aus dem Wasser und sein kurzärmliges Hemd aus.
    »Wir müssen mal miteinander reden«, sagte er.
    »Ja«, stimmte ich zu. »Das müssen wir.«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass das hier so laufen würde.«
    »Ich auch nicht.«
    Er steckte zwei Lucky Strike an und reichte mir eine.
    »Wie gesagt, keine Ahnung.«
    Ich nickte.
    »Was wollte Rogga Lundberg hier?«
    Ich erzählte ihm von dem Gespräch mit Rogga Lundberg, und während ich berichtete, fuhr sich Henry mehrere Male über seine Bartstoppeln und blickte jedes Mal finsterer drein. Als ich nichts mehr zu sagen hatte, blieb er eine halbe Minute lang stumm sitzen und starrte auf Fläskhällen, wohin wir langsam getrieben wurden.
    »Würdest du sagen, dass er drohend aufgetreten ist?«, fragte er.
    Ich überlegte. »Ja«, antwortete ich. »Ich denke schon. Ich glaube, er wollte dich irgendwie ausnutzen.«
    »Gut«, sagte Henry. »Gut, Bruderherz. Du verstehst die Kunst, die Menschen zu lesen. Nicht schlecht für dein Alter, die meisten lernen es nie. Rogga Lundberg ist ein Stinkstiefel. Und das ist er immer gewesen.«
    »Wie Berra Albertsson?«
    Henry lachte laut auf. »Nicht ganz. Eine andere Sorte. Es gibt viele Sorten von Stinkstiefeln, es kommt immer drauf an, mit welcher Sorte man es gerade zu tun hat.«
    Ich nickte. Henry saß wieder still da. Ich beugte mich über den Bootsrand und fing eine Welle mit der Hand. Spülte mir mein Gesicht damit. Henry tat das Gleiche. Das war natürlich nicht viel, aber mit einem Mal fühlte ich mich ihm irgendwie ebenbürtiger als je zuvor. Ich räusperte mich und schaute weg. Mir war klar, dass ich rot wurde.
    Henry trommelte mit den Fingern auf seinem Knie. »Gibt's sonst noch was?«, fragte er.
    »Wir waren gestern bei Ewa.«
    Eine Sekunde lang sah er ganz verwundert aus.
    »Ja?«
    »Wir sollen grüßen.«
    Er hob fragend eine Augenbraue.
    »Wir sollen dir ausrichten, dass alles gut werden wird und dass du dir ihretwegen keine Sorgen machen sollst.«
    Henry nickte und versank wieder für eine Weile in Gedanken. Dann räusperte er sich und spuckte ins Wasser.
    »Das ist gut«, sagte er. »Das war prima, dass ihr sie besucht habt.«
    Ich überlegte, ob ich ihm auch erzählen sollte, dass sie sehr beunruhigt erschien, beschloss dann aber, es zu lassen. Es hatte keinen Zweck, die Sache unnötig kompliziert zu machen. Jeder Tag bringt neue Probleme.
    »Tja, damit ist die Sache wohl entschieden«, erklärte Henry nach einer weiteren Pause.
    »Was meinst du damit?«, fragte ich.
    »Rogga Lundberg«, sagte Henry. »Wenn Rogga weiß, dass Ewa und ich was miteinander hatten, dann kann ich ebenso gut gleich zur Polizei gehen, bevor die Wind davon kriegen.«
    »Ich hatte schon überlegt, ob ich dir das vorschlagen soll«, sagte ich, denn das hatte ich wirklich.
    »Es hat keinen Sinn, sein Schicksal in die Hände so eines Arschlochs zu legen. Denk daran, Brüderchen. Wenn du zur Wahrheit stehen musst, dann musst du es. Da gibt es kein Hin und Her, da muss man durch. Weißt du, wo ich gestern war?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Bei der Polizei.«
    Er lachte wieder sein kurzes, lautes Lachen. »Ich habe den ganzen Nachmittag im Polizeirevier von Örebro bei Kommissar Lindström und zwei anderen Kriminalern gesessen. Sie waren sich nicht so recht einig darüber, ob sie mich jetzt gehen lassen sollten oder nicht,

Weitere Kostenlose Bücher