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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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wenn man doch bestimmte Sachen ungeschehen machen könnte.«
    Sie machte eine kurze Pause und strich sich mit den Fingern über ihre geschwollene Lippe. »Und trotzdem habe ich ihn früher mal geliebt. Wenn man nur ein einziges Mal die Uhr zurückdrehen könnte.«
    Ich begriff, dass sie eher mit sich selbst als mit Edmund und mir sprach. Ihre Worte waren nicht für vierzehnjährige Jungs bestimmt, das war zu hören, und gleichzeitig, während ich so dachte, dachte ich auch, dass es mir eigentlich doch ein wenig um Berra Albertsson Leid tat.
    Abgesehen davon, dass er tot war, meine ich.
    Denn es konnte ja kaum besonders witzig sein, zunächst von einer Frau wie Ewa Kaludis geliebt zu werden, und dann eines Morgens aufzuwachen und feststellen zu müssen, dass man nicht mehr existierte.
    Obwohl mir dieser Gedanke nur ganz flüchtig durch den Kopf sauste, ahnte ich doch, dass es sich hierbei um einen der schwergewichtigsten Gedanken handelte, den ich in letzter Zeit gehabt hatte.
    Um eine dieser Fragen, von denen man weiß, dass sie wieder auftauchen werden.
    Ob es besser ist, zunächst geliebt und dann nicht mehr geliebt zu werden, oder ob man es vorziehen sollte, dem Ganzen nicht ausgesetzt zu sein.
    Eine Zwickmühle, ich glaube, so nennt man das.
    »Ich renne hier herum und weiß einfach nicht mehr aus noch ein«, sagte Ewa Kaludis. »Entschuldigt, dass ich so rede, ich bin nicht ganz bei mir selbst.«
    »Wir verstehen schon«, sagte Edmund. »Manchmal steckt man richtig tief in der Scheiße, und dann weiß man nicht, wie man wieder rauskommen soll.«
    Ewa antwortete nicht. Ich räusperte mich und fasste Mut.
    »Warst du in der Nacht da draußen?«, fragte ich.
    Sie holte tief Luft und sah mich an.
    »Ich meine, in Genezareth?«, ergänzte ich.
    Sie sah nun Edmund eine Weile an, bevor sie antwortete.
    »Ja«, sagte sie. »Ich war da.« »Weiß die Polizei das?«, fragte ich.
    Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und faltete die Hände um die Knie. »Nein«, sagte sie. »Die Polizei weiß nichts von Henry und mir.«
    »Gut«, sagte Edmund.
    »Glaube ich jedenfalls«, fügte Ewa hinzu. »Aber ihr müsst ihn von mir grüßen, ja? Tut ihr das? Grüßt ihr Henry?«
    »Natürlich«, sagte ich. »Und was sollen wir ihm sagen?«
    Sie überlegte eine Weile. »Sagt ihm«, erklärte sie dann. »Sagt ihm, dass alles gut werden wird und dass er sich um mich keine Sorgen zu machen braucht.«
    Ich fand nicht gerade, dass das mit dem Eindruck, den sie auf mich machte, übereinstimmte, aber ich merkte es mir trotzdem.
    Wort für Wort, ihre Botschaft an Henry, meinen Bruder.
    Es wird alles gut werden. Du brauchst dir keine Sorgen um Ewa Kaludis zu machen.
     
    ***
     
    Als wir uns verabschieden wollten, umarmte sie uns beide. Ihre nackten Arme und Schultern waren ganz heiß von der Sonne, und ich traute mich, ihre Umarmung richtig fest zu erwidern. Ich sog dabei den Geruch ihrer Haut ein, meine Nasenlöcher waren weit geöffnet, und in meinem Kopf breitete sich eine Wolke von Ewa Kaludis aus.
    Das war ein fantastisches Gefühl. Die Wolke schwebte da drinnen umher und füllte mich derart aus, dass das SCHRECKLICHE und Krebs-Treblinka und alles andere Unangenehme mehrere Stunden lang auf Abstand gehalten wurde. Erst als wir bei Laxmans vorbeistrampelten, verschwand die Wolke wieder, und sofort spürte ich stattdessen eine Art kalter Leere im Bauch.
    Wie eine Faust aus Eis.
    Vielleicht, dachte ich, vielleicht wäre es doch besser gewesen, Ewa Kaludis nicht mit den Nasenflügeln einzusaugen.
    Vielleicht wäre es das Ruhigste, wenn man sein ganzes Leben lang auf dem Plumpsklo säße und drauf scheißen würde, sich irgendwelchen Dingen auszusetzen. Mir wurde auch klar, dass Edmunds Theorie über die Seele, die im Körper herumwanderte, gar nicht so verrückt war. Man konnte sie problemlos finden, musste nur sehr hellhörig sein und richtig in sich hineinhorchen.
    Gerade jetzt, genau auf diesem holprigen Kiesweg voller Schlaglöcher zwischen Äsbro und Sjölycke, da saß sie mitten in meinem Herzen.
    Es schien überhaupt so zu sein, dachte ich, dass sie sich ganz einfach da aufhielt, wo es im Augenblick am meisten wehtat.
    Man konnte sich natürlich fragen, warum.
     
    ***
     
    Henry war noch nicht wieder zurück, als wir nach Genezareth kamen, was ich gar nicht so schlecht fand. Ich wusste, dass ich ein ernsthaftes Gespräch mit ihm führen musste, sowohl über das, was Rogga Lundberg gesagt hatte, als auch über unseren Besuch bei Ewa,

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