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Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Kim Novak badete nie im See von Genezareth

Titel: Kim Novak badete nie im See von Genezareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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Klassenkameraden, die ich zu Hause besucht hatte, hatte es auch nur annähernd so ausgesehen wie hier, das war schon mal klar, und das Kribbeln im Körper verstärkte sich bei Edmund und mir immer mehr, während wir so wartend dasaßen und uns schrecklich klein fühlten. Vorsichtig spähte ich durch die Verandatür hinein. Fand, dass es merkwürdig da drinnen aussah. Ein großer Raum, fast ganz ohne Möbel. Irgendwie zu nichts zu gebrauchen. Ein Tisch aus Glas. Ein Baum in einem riesigen Tontopf. Ein merkwürdiges Bild mit Dreiecken und Kreisen in rot und blau. Sehr merkwürdig, wirklich.
    Und neu. Alles sah aus, als wäre es erst vor ein paar Wochen aus der Möbelfabrik geholt worden. Ich schielte zu Edmund hinüber und sah, dass er ungefähr das Gleiche dachte wie ich. Das hier war irgendwie fremd. Berra und Ewa Kaludis schienen von einer anderen Sorte zu sein, und ich fühlte, dass mich das etwas verzagt machte. Als wäre der Abstand zwischen mir selbst und Ewa dadurch plötzlich unüberwindlich geworden.
    Als wenn er jemals überwindlich gewesen wäre.
    Ich wusste nicht so recht, was ich eigentlich wollte, meine Gedanken irrten hin und her, und ich biss mir in die Wange und beschloss, dass das doch eigentlich verdammt egoistisch war, hier zu sitzen und derart gemeine Überlegungen anzustellen. In der Lage, in der sie nun mal war.
    Ewa kam mit einem Tablett, auf dem Kanne, Gläser und ein kleiner Teller mit aufgeschnittenem Kuchen standen, zurück.
    »Wie schön, dass ihr gekommen seid«, wiederholte sie und setzte sich uns gegenüber. »Ich war schon ganz unruhig. ich weiß gar nicht. was ich machen soll.«
    Sie hatte immer noch Spuren von dem Faustschlag im Gesicht. Ums Auge herum war es gelb und ein bisschen blau, und die Unterlippe war noch angeschwollen und hatte Wundschorf.
    »Nun ja, wir haben gedacht.«, fing Edmund an. »Wir haben gedacht, wir gucken mal rein. Wenn wir schon in der Stadt sind.«
    »Um zu hören, wie es dir geht«, fügte ich hinzu.
    Ewa goss uns Orangensaft ein.
    »Das ist. ich verstehe gar nicht.«, sagte sie.
    Ich überlegte, was sie wohl nicht verstand, aber ich sagte nichts.
    »Unser aufrichtiges Beileid«, sagte Edmund.
    Ewa sah ihn etwas verwundert an, als würde sie nicht richtig begreifen, was er da gesagt hatte. »Beileid?«, fragte sie. »Ach so, ja, ich verstehe.«
    Ich streckte den Arm aus und nahm ein Stück Kuchen. Überlegte, ob sie den wohl selbst gebacken hatte. Und ob sie es wohl vor oder nach dem Mord gemacht hatte. Er schmeckte ziemlich frisch, aber ich nahm an, dass sie eine Kühltruhe hatten, dann konnte er von werweißwann sein.
    »Hast du Henry in letzter Zeit gesehen?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht seit. nein, seitdem nicht.«
    »Nein?«, fragte Edmund. »Nun ja, ist ja vielleicht besser so.«
    Ewa gab einen tiefen Seufzer von sich, und erst jetzt bemerkte ich, wie unruhig sie war. Als ich mich endlich traute, sie etwas genauer anzusehen, bemerkte ich auch, dass sie um die Augen herum ziemlich rot war, abgesehen von dem Gelben und dem Blauen, und ich nahm an, dass sie wohl viel geweint hatte. Und zwar vor kurzer Zeit, wie anzunehmen war.
    »Weiß Henry davon?«, fragte sie. »Weiß Henry, dass ihr hier seid?«
    »Nein«, antworteten Edmund und ich wie aus einem Munde.
    »Hm«, sagte Ewa Kaludis, und ich konnte nicht sagen, ob sie es nun gut oder schlecht fand, dass es nicht Henry war, der uns geschickt hatte.
    Vielleicht hatte sie gehofft, dass wir eine Botschaft von ihm dabeihatten, vielleicht auch nicht. Es verging eine Weile, in der wir den Kuchen aßen und Saft tranken.
    »Bei uns lief es nicht so gut«, sagte sie dann plötzlich. »Ich meine, zwischen Berra und mir. Das habt ihr ja auch gemerkt.«
    »Nun ja«, sagte Edmund.
    Ich sagte gar nichts. Band mir stattdessen die Schnürsenkel, die aufgegangen waren.
    »Es wäre so nicht weitergegangen, aber deshalb hätte es ja nicht so ein Ende nehmen müssen. Mir tut nur Henry Leid, ich bin an allem schuld. Wenn ich nur geahnt hätte. wenn ich mir auch nur in meinen wüstesten Fantasien hätte vorstellen können.«
    »Es ist so wenig, was wir wissen«, sagte ich.
    »Der Mensch denkt, Gott lenkt«, sagte Edmund.
    »Ich begreife nicht, dass ich Bertil nie gesehen habe, wie er wirklich war, bis es zu spät war«, fuhr Ewa fort. »Dass ich nicht sofort gemerkt habe, dass alles ein Irrtum war. Erst als ich deinen Bruder kennen gelernt habe, wurde mir klar, wie falsch alles gelaufen ist. Mein Gott,

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