Kind der Hölle
einschmeichelnd, beschwörend.
»Alles, Janet! Du kannst alles haben, was du willst. Dein Leben kann so perfekt sein, wie du es dir einst erträumt hast …« Die Stimme redete weiter auf sie ein, und Janet spürte die einlullende Wirkung.
»Nein«, flüsterte sie flehend. Die herrlichen Augen des perfekten Mannes waren unverwandt auf sie gerichtet, und die Stimme war so unwiderstehlich wie Sirenengesang. »Bitte … tu mir das nicht an … bitte nicht…«
Doch jetzt konnte sie Ted auch spüren. Seine Hände glitten über ihren ganzen Körper, seine warmen Finger streichelten sie an den empfindlichsten Stellen. Von heißen Lustwellen durchflutet, gingen ihre gestammelten Bitten in ekstatisches Stöhnen über.
»Du willst es, Janet«, säuselte die Stimme. »Du weißt, daß du es willst. Alles kannst du haben … Du brauchst dich nur mir hinzugeben, Janet. Öffne dich. Laß mich ein. Laß mich von dir Besitz nehmen. Laß mich …«
Ein einziges Wort, das laut durch die riesige Kathedrale hallte, bereitete der Verführung ein jähes Ende.
»NEEEEEIN!«
Janet riß sich mühsam von den Augen des vollkommenen Teds los, dessen Gesicht immer noch über dem Altar schwebte, und drehte sich um.
Ihre älteste Tochter kam auf sie zu. Kims Gesicht war aschfahl, ihre Augen schreckensweit aufgerissen. Mit der rechten Hand umklammerte sie das Kreuz an ihrem Hals, und ihr linker Arm war nach vorne ausgestreckt. Zwischen ihren Fingern hing das zweite Kreuz, das Janet für Molly aufbewahrt hatte. Als Kim näherkam wollte Janet nach diesem Kreuz greifen, doch ihre Tochter ging unaufhaltsam weiter, den Blick unverwandt auf das Bild über dem Altar gerichtet.
Janet begriff, daß das goldene Kreuz nicht für sie bestimmt war, sondern für das unheimliche Wesen, das über den flackernden Kerzen schwebte. Vor ihren Augen verwandelte sich das Gesicht wieder: der vollkommene Ted bekam Augen, die vor Haß sprühten, die soeben noch glatte und weiche Haut wurde rot und schuppig, und die vollen Lippen wurden immer schmaler und härter, bis Janet das Maul eines Reptils sah.
Dieses Maul öffnete sich, und eine zweiköpfige Schlange schoß daraus hervor. Die Köpfe bewegten sich in verschiedene Richtungen, mit aufgerissenen Rachen, die scharfe Giftzähne entblößten. Vor Grauen wimmernd, wich Janet vor dem entsetzlichen Geschöpf zurück.
Kim setzte ihren Weg fort.
Jared und Ted standen am Altar, überragt vom Bildnis ihres Gottes. Der Dolch zitterte in Jareds rechter Hand, nur wenige Zentimeter von Mollys nackter Brust entfernt, und als Kim näherkam, donnerte Teds Stimme durch den Raum.
»Tu’s! Tu’s sofort!«
Jareds Hand bewegte sich nach unten, und die Dolchspitze berührte Mollys Haut.
»Tu’s!« brüllte Ted wieder. »Bring dein Opfer dar!«
Nicht real.
Kim wiederholte diese Worte immer wieder, während sie auf den Altar zuging. Es bedurfte ihrer ganzen Willenskraft, um einen Fuß vor den anderen zu setzen, anstatt sich von Angst überwältigen zu lassen.
Nicht real.
Aber sie wußte, daß die Schreckensvision über dem Altar Wirklichkeit war, im Gegensatz zu all den Kreaturen, die versucht hatten, sie einzuschüchtern und in die Flucht zu treiben.
Jetzt stand sie dem Bösen von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Sie hörte immer noch Jareds Stimme, aber sie ließ an Stärke nach. Nur noch wenige Schritte von ihm entfernt, konnte sie in seinem Geist lesen. Kim spürte, daß er schwach wurde, daß er fast schon bereit war, den Befehlen seines Vaters Folge zu leisten. Gleich würde es zu spät sein.
Die zweiköpfige Schlange schoß auf Kim zu, mit glühenden Augen und triefenden Giftzähnen, doch als sie ihr das Kreuz in ihrer linken Hand entgegenstreckte, zuckte sie zurück, und ihr Zischen hörte sich an, als hätte man Wasser auf eine heiße Herdplatte gegossen.
Die Fratze des Bösen verzerrte sich vor Wut, als Kim immer näherkam, und er heulte auf, als sie Jared erreichte. Sie trat neben ihren Bruder und schaute ihm ins Gesicht, das vom flackernden Kerzenlicht erhellt wurde. Die Dolchspitze ruhte auf Mollys Brust, während die Kleine wimmernd nach ihrer Mutter rief.
»Verdammt, tu’s endlich!« befahl ihr Vater, und Kim sah, daß Jareds Fingerknöchel weiß wurden, als er den Dolch noch fester umklammerte.
Er hob ihn und wollte ihn seiner kleinen Schwester tief ins Herz stoßen. Nun ließ Kim die goldene Kette über seinen Kopf gleiten, und das Kreuz fiel auf seine Brust. Als es ihn berührte, verzerrte sich
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