Kind der Hölle
sah drei Gesichter, die sich über sie beugten, wurde aber durch das grelle Licht im Hintergrund geblendet. Sobald ihre Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, erkannte sie die Gesichter.
Schwester Clarence. Vater Bernard. Vater MacNeill.
Aber wo war sie? Sie hatte doch versucht, Jared im See vor dem Ertrinken zu retten …
Sie wollte sich aufsetzen, doch Schwester Clarence hinderte sie daran. »Bleib ruhig liegen, Kim, und erzähl uns, was geschehen ist.«
»Jared!« rief Kim. »Er braucht meine Hilfe! Er …« Bevor sie den Satz beendet hatte, tauchte ein neues Schreckensbild vor ihrem geistigen Auge auf. »Molly!« Sie preßte ihre Hände auf die Augen und schüttelte heftig den Kopf, doch die gräßlichen Bilder wollten nicht weichen. »Molly …, sie zerstückeln sie und legen ihre Körperteile in Gläser und …« Von wildem Schluchzen geschüttelt, registrierte sie vage, daß Schwester Clarence sie in die Arme nahm und ihr sanft übers Haar strich.
»Beruhige dich, Kim. Wir sind bei dir und dir wird nichts geschehen. Versuch uns einfach zu erzählen, was du gesehen hast.«
Ein ganzes Kaleidoskop von Bildern wirbelte durch Kims Kopf, und instinktiv umklammerte sie das kleine goldene Kreuz, das ihre Großtante ihr geschenkt hatte. »Was geschieht mit Jared?« flüsterte sie. »Er …«
»Ganz ruhig, mein Kind«, murmelte Schwester Clarence besänftigend. »Du bist hier in Sicherheit, und alles wird gut werden.« Doch Kim konnte der Stimme der Nonne anhören, daß sie ihren eigenen Worten nicht glaubte.
»Erzähl es uns«, sagte jetzt Vater MacNeill. »Du mußt uns alles erzählen, damit wir dir helfen können.«
»Mommy sagt, es wären nur Alpträume, und …« Sie verstummte schluchzend, weil ihr die gräßliche Szene eingefallen war, in der Sandy und Luke sich vor dem seltsamen Altar gepaart hatten. »Ich kann nicht«, flüsterte sie.
»Es ist… es ist so …«
»Ich weiß.« Der Priester legte seine Finger auf ihre Stirn, so als wollte er sie ein zweites Mal taufen. »Aber wie schrecklich es dir auch vorkommen mag, du kannst es uns erzählen. Du kannst uns vertrauen.«
Vater MacNeills kühle Finger, die ihre Stirn sanft streichelten, übten eine beruhigende Wirkung aus, und stockend berichtete Kim alles, was sie seit dem Umzug in das alte Haus am Stadtrand erlebt hatte: ihre vielen Alpträume, Muffins Verschwinden, Scouts Verschwinden, die Demütigung, als Sandy sie angespuckt hatte … »Und dann …«, sie brach wieder in Tränen aus, »und dann … o Gott, ich dachte, Jared und mein Vater würden meine kleine Schwester töten!« Sie starrte Vater MacNeill an, ohne ihn richtig wahrzunehmen. »Ich war im Biologiesaal, und ich sah …«
Von Schluchzen geschüttelt, brachte sie mühsam hervor: »Ich sah Molly …, sie war zerstückelt, und sie lag in diesen Glasbehältern …« Kim warf dem Priester einen flehenden Blick zu. »Was ist das, Vater? Was geht mit uns vor?«
Anstatt ihre Frage zu beantworten, legte der Geistliche seine Hand auf die ihre, die das Kreuzchen umklammerte. »Woher hast du das?«
Kim runzelte die Stirn. »Von meiner T-T-Tante«, stammelte sie. »Tante Cora hat es mir geschenkt, bevor sie starb.«
Der Priester erinnerte sich an die Szene im Zimmer ihrer Großtante. »Ja, für Molly … Meine Mutter hat es an sich genommen.«
Vater MacNeill nahm Kims Hände in die seinen und schaute ihr in die Augen. »Denk gut nach. Hat deine Mutter Molly das Kreuz umgehängt?«
Kim schüttelte den Kopf. »Sie sagte, sie würde es aufbewahren, bis Molly etwas älter wäre.«
»Aber es ist in eurem Haus?«
»Ja, wahrscheinlich in Moms Schmuckkasten.«
»Und soeben hast du gehört, daß Jared nach dir gerufen hat?«
Kim nickte wieder. »Aber in Wirklichkeit war es nicht Jared, oder? Haben nicht Sie meinen Namen gerufen, um mich aus meiner Bewußtlosigkeit zu holen?«
Der Priester preßte ihre Hände so fest, daß es schmerzte, und schaute ihr weiterhin intensiv in die Augen. »Ich werde dir etwas sagen, Kim.« Seine Stimme verriet ihr, daß sie etwas Schreckliches hören würde. »Du mußt sehr stark sein, Kim«, fuhr er fort. »Kannst du das?«
Nach kurzem Zögern nickte sie.
»Es waren keine Träume, Kim«, sagte Vater MacNeill. »Alles, was du gesehen hast – alles, was du für Alpträume gehalten hast – , ist wirklich passiert. Alles …«
37. Kapitel
Es ist unmöglich.
Nichts von all dem, was sie sah, konnte real sein.
Janets letzter Schrei hing noch in der Luft,
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