Kind der Nacht
und stopfte sie in eine Mülltonne.
»Ich werde vorne bei Guy mitfahren«, verkündete Michael.
Als Carol mit André im Fond allein war, hob sie völlig frustriert die Hände. »Was habe ich denn jetzt wieder getan? Was habe ich diesmal gesagt, um dich böse zu machen?«
Er sah aus dem Fenster.
»Ich verstehe es nicht! Ist das Ritual etwa ein Tabuthema? Falls ja, dann sag es mir.«
Er sagte noch immer nichts.
»Ich versuche doch nur herauszufinden, was du davon hältst und was für ein Gefühl du dabei hast. Vielleicht kann ich dir ja helfen.«
»Es wird auch so schon schwierig genug.« Er vermied es noch immer, sie anzusehen. »Warum kümmerst du dich nicht um deinen Part bei der Sache und lässt mich zusehen, wie ich zurechtkomme?«
»Vielleicht kann ich dir helfen?«
»Das kannst du nicht!«
»Aber wenn du mir erzählst, wie es bei den anderen Malen war, dann können wir vielleicht herausfinden, was schief gelaufen ist.«
Sein Kopf ruckte herum. Mit dem Finger deutete er direkt auf ihr Gesicht. »Ich warne dich, Carol, lass mich in Ruhe! Ich meine es ernst!«
»Okay!« Sie gab nach. »Wir müssen ja nicht darüber reden. Ich wollte dir nur helfen.«
Er senkte seine Hand und mit ihr die Stimme. »Du bist Michaels Mutter, nicht meine. Vergiss das nicht!«
Den Rest des Weges über schwiegen sie. Doch als sie sich dem Hügel näherten, sagte Carol: »Kann ich dich etwas fragen? Es hat nichts mit Freitag zu tun.«
»Was denn?«
»Es ist bloß ... Ich weiß nicht recht, was ich machen soll. Du willst nicht, dass ich dich bemuttere, aber ich weiß auch nicht, was du überhaupt von mir willst.«
Er schwieg ein paar Sekunden. Der Wagen bog in den Redpath Crescent ein. »Ich will dich in meinem Bett«, sagte er schließlich, den Blick stur geradeaus gerichtet.
»Ist das alles?«
»Vielleicht noch als Freundin.« Er starrte aus dem Fenster.
»Freunde vertrauen einander.«
Die Limousine fuhr die steile betonierte Einfahrt hinauf. In dem Moment, in dem sie neben dem Haus hielten, drehte André sich zu Carol. Seine Stimme war leise, ausdruckslos. »Hör auf, deine Zeit mit Definitionen zu verschwenden. Es spielt keine Rolle, was irgendeiner von uns will oder nicht, weil du den Samstagmorgen nämlich nicht erleben wirst.«
30
»Hey, Kleine, du siehst aus, als hättest du dir gerade Die Nacht der lebenden Toten angesehen. Was ist los?«, fragte Gerlinde, als Carol ins Wohnzimmer kam. Jeanette, Julien und Chloe waren ebenfalls da.
Carol ließ sich schwer in den Sessel am Fenster fallen, abseits von den anderen, und sagte tonlos: »Was los ist? Was sollte denn los sein? André hat mir gerade eröffnet, dass ich am Samstagmorgen tot sein werde, das ist alles. Nichts, worüber man sich aufregen müsste.«
»Warum hat er das gesagt?«, wollte Jeanette wissen.
»Ich nehme an, er wollte nur nett sein.« Carol starrte aus dem Fenster auf das letzte verwelkte Laub, das noch die nackte Erde bedeckte.
»Also, was ist passiert?« Gerlinde ließ nicht locker.
Carol seufzte. »Wir waren im La Ronde-Park. Michael fuhr gerade Autoscooter, und alles schien in bester Ordnung. Ich fragte André, ob es am Freitag ein Problem für ihn sein würde. Da drehte er durch wie üblich.«
»Mannomann«, sagte Gerlinde. »Da hast du Salz in offene Wunden gestreut.«
»Was meinst du damit?«
»Dass dein Taktgefühl nicht gerade besonders ausgeprägt ist!«
»Was hätte ich denn sagen sollen? Etwa: >Dieses Wochenende bietet sich ja geradezu an, ein bisschen Blut zu schlürfen, vorausgesetzt man verspürt eine Neigung dazu. Würde es dir vielleicht etwas ausmachen, deine Meinung zu diesem Thema abzugeben? <«
»Erzähl uns genau, was passiert ist«, sagte Chloe.
»Das bringt doch auch nichts.« Trotzdem gab Carol die Unterhaltung fast Wort für Wort wieder.
Als sie geendet hatte, stand Julien auf. »Du hast Recht, Gerlinde.«
»Womit?«
»Subtilität ist nicht gerade ihre Stärke.« Er wandte sich an Jeanette. »Vielleicht solltest du sie in einer deiner Künste unterweisen, meine Liebe, l’art du plaisir.« Damit küsste er seine Frau und ging aus dem Zimmer.
»An dem, was Julien sagt, ist etwas dran«, meinte Jeanette zu den anderen.
»Und was?«, fragte Carol. Die Teilnahmslosigkeit in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Nun, wenn André dich als Geliebte will, warum beginnst du dann nicht damit?«
»Großartig!«, brüllte Gerlinde. Sie sprang auf, sagte: »Na,
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