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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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dich denn daran erinnert?«
    »Du bist nicht allmächtig, André. Auch wir Sterblichen haben so unsere Fähigkeiten.«
    »Zum Beispiel?«
    Aber sie hatte nicht vor, ihm irgendetwas zu sagen. »Was wirst du diesmal mit mir anstellen?«
    André lachte sarkastisch und schüttelte den Kopf. »Du bist ja immer noch so naiv. Du brichst hier ein, versuchst mir einen Pflock ins Herz zu rammen, und dann fragst du, was ich mit dir anstellen werde!? Was erwartest du denn, eine Einladung zu einem Cappuccino? Mach dir doch nichts vor!«
    »Ich habe nicht versucht, dich umzubringen«, widersprach Carol schwach. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie unmöglich es stets gewesen war, mit ihm zu reden.
    »Ich verstehe. Mit dem Pfahl wolltest du was tun? Feuer machen? Oder ein Zelt aufschlagen?« Abermals schüttelte er ungläubig den Kopf. »Das ist ja schon krankhaft - du merkst es ja noch nicht einmal mehr, wenn du lügst!«
    »Ich habe versucht, dich umzubringen, aber ich konnte es nicht.«
    Er lachte kurz auf, doch dann hielt er inne und blickte sie an.
    »Du bist so etwas wie eine Jungfrau für mich - dein Blut war immer gerade außerhalb meiner Reichweite. Aber damit ist es jetzt vorbei, Carol!«
    Sie geriet in Panik. »Warte! Wenn du mich schon töten musst, dann lass mich vorher wenigstens mein Kind sehen. Ich will ihn nur sehen und wissen, dass es ihm gut geht, ehe ich sterbe. Bitte!«
    Er schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass ich das nicht tun kann!«
    »Du kannst es. Lass mich ihn sehen. Ich werde auch nicht ein Wort zu ihm sagen, ehrlich.«
    »Seit wann bist du denn ehrlich geworden?«
    »Lass mich ihn sehen. Nur einmal!«
    »Nein.«
    Carol war den Tränen nahe. All die Jahre, die ganze Arbeit, all die Mühe. Und nun werde ich sterben, ohne Michael überhaupt gesehen zu haben, dachte sie bitter.
    »Schließ die Augen. Denk an was Schönes!«, befahl er ihr. »Ich  werde es schnell machen, um der guten alten Zeiten willen.«
    Sie funkelte ihn wütend an, aber es gelang ihr nicht, an ihrem Ärger  festzuhalten. Dazu war sie viel zu verzweifelt. »Hat er jemals nach m ir gefragt?«
    André zögerte. »Ja.«
    »Was hast du ihm gesagt?«
    »Die Wahrheit. Du wolltest ihn wegholen. Wir haben dich gefunden und ihn gerettet. Du wolltest bleiben, aber wir sagten Nein.«
    Die Wahrheit, dachte sie, so nackt und scharfkantig. Vor lauter Sc hmerz sprach sie auf einmal ganz leise. »Hast du ihm auch irgendetw as Gutes über mich erzählt?«
    »Ich habe ihm gesagt, dass du dich während der kurzen Zeit, die ihr zusammen wart, um ihn gekümmert hast.«
    »Ich habe ihn Michael genannt. Welchen Namen hast du ihm gegeben?«
    André wirkte verblüfft. »Michel.«
    Ja, dachte sie, wir wussten beide, dass er ein Engel ist. »Versprich mir etwas. Sag ihm, dass ich ihn geliebt habe. Bitte! Nur das. Dass ich ihn mehr als alles andere geliebt habe, sogar mehr als mein Leben. Wirst du ihm das sagen?«
    Er erwiderte nichts.
    »Wirst du es ihm sagen?«
    »Na gut«, meinte er schließlich. »Ich sage es ihm.«
    Es war zwar nicht ganz das, was sie wollte, aber damit musste sie sich wohl begnügen. So etwas wie ein tiefer Frieden erfüllte sie.
    »Bringen es wir hinter uns. Schließ die Augen!«
    Sie blickte ihn an. Seine Augen waren groß, selbst bei dieser schwachen Beleuchtung. Sie funkelten wie glänzende graue Achate. Er wirkte ausgehungert.
    Ich werde es nicht zulassen, dass er Michael erzählt, ich sei feige gewesen, dachte sie. »Nimm mich. Ich wehre mich nicht.«
    Sein Blick verdüsterte sich. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Ungeduld und Verwirrung.
    »Du bist mein Tod, das habe ich schon immer gewusst. Ich werde dir mein Blut geben, so wie ich dir meinen Körper und meine Seele gegeben habe und alles, was ich sonst jemals besaß. Hier!« Sie versuchte, einen Arm zu bewegen. Zunächst wollte er sie nicht loslassen, aber schließlich gab er ihr Handgelenk frei.
    Carol strich sich ihr langes Haar in den Nacken zurück. Sie öffnete die beiden obersten Knöpfe ihrer Jacke, dann die ihres Flanellhemdes, schlug die Kragen um und bot ihm ihren Hals dar.
    Er blickte ihn an, anscheinend zog die Vene ihn an. Aus seinem Gesicht sprach die pure Begierde, aber er wirkte auch aufgeregt. »Ich werde versuchen, dir nicht wehzutun«, stieß er leise hervor. Eigentlich war es ein Flüstern.
    »Es ist zu spät«, entgegnete sie. »Du hast mir bereits wehgetan. Und jetzt spielt es auch keine Rolle mehr.«
    Carols Puls

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