Kind der Prophezeiung
ihnen ganz wohl gefühlt hätte.
Die muffig riechenden Rübensäcke waren unbequem, aber Garion brachte es rasch zuwege, durch Schieben und Drücken eine Art Liegesitz direkt hinter Tante Pol und Meister Wolf zu bauen. Er war vor dem Wind geschützt, Tante Pol war dicht bei ihm, und sein Umhang, über ihn gebreitet, hielt ihn warm. Er fühlte sich alles in allem behaglich, und trotz der Aufregung der nächtlichen Geschehnisse glitt er bald in einen Halbschlaf hinüber. Die nüchterne Stimme in seinem Kopf meinte noch kurz, er hätte im Wald keine allzu gute Figur gemacht, aber bald schwieg sie, und Garion schlief ein.
Eine Veränderung in den Geräuschen weckte ihn. Das sanfte Dröhnen der Pferdehufe auf den schmutzigen Landstraßen wurde zu einem Geklapper, als sie auf das Kopfsteinpflaster eines kleinen Dorfs kamen, das die letzten kühlen Stunden der Herbstnacht verschlief.
Garion öffnete die Augen und blickte übernächtigt auf die hohen schmalen Häuser mit ihren winzigen Fenstern, die alle dunkel waren.
Ein Hund bellte kurz und zog sich dann auf sein warmes Plätzchen irgendwo unter einer Treppe zurück. Garion fragte sich, welches Dorf es wohl sei, und wie viele Leute unter den steilen Schieferdächern schliefen, ohne die Durchfahrt ihrer drei Wagen zu bemerken.
Die gepflasterte Straße war sehr schmal. Garion hätte fast die Hand ausstrecken und die verwitterten Steine der Häuser berühren können, während sie vorbeifuhren.
Dann lag das namenlose Dorf hinter ihnen, und sie waren wieder auf der Landstraße. Das leise Geräusch der Pferdehufe wiegte ihn wieder in den Schlaf.
»Und wenn er nicht durch Darin gekommen ist?« fragte Tante Pol leise Meister Wolf.
Es kam Garion in den Sinn, daß er bei all der Aufregung noch nicht genau herausgefunden hatte, was sie eigentlich suchten. Er ließ die Augen geschlossen und lauschte.
»Fang nicht mit ›was wäre wenn‹ an«, bat Wolf gereizt. »Wenn wir herumsitzen und uns fragen, ›was wenn‹, werden wir nie etwas erreichen.«
»Ich habe ja nur gefragt«, sagte Tante Pol.
»Wenn er nicht durch Darin gegangen ist, werden wir uns nach Süden wenden – nach Muros. Vielleicht hat er sich dort einer Karawane angeschlossen, um auf der großen Nord-Straße nach Boktor zu gelangen.«
»Und wenn er nicht durch Muros gekommen ist?«
»Dann gehen wir weiter nach Camaar.«
»Und dann?«
»Das werden wir sehen, wenn wir nach Camaar kommen.« Sein Ton war endgültig, als ob er die Angelegenheit jetzt nicht weiter besprechen wollte.
Tante Pol holte Luft, als wollte sie noch eine letzte Antwort geben, aber offenbar entschied sie sich dagegen und lehnte sich statt dessen in ihrem Sitz zurück.
Im Osten, vor ihnen, berührte eine blasse Morgendämmerung die tiefhängenden Wolken, und sie fuhren weiter durch den Rest einer langen, windigen Nacht, auf ihrer Suche nach etwas, das – obwohl er es nicht einmal nennen konnte – so wichtig war, daß Garions ganzes Leben an einem einzigen Tag deswegen umgestürzt worden war.
7
E s dauerte vier Tage, bis sie Darin an der Nordküste erreichten. Am ersten Tag kamen sie recht gut voran. Obwohl es bedeckt und windig war, blieb das Wetter trocken, und die Straßen waren gut befahrbar. Sie kamen an stillen Bauernhöfen vorbei und hin und wieder an einem Farmer, der sich auf dem Feld über seine Arbeit beugte. Unvermeidlich hielt jeder mit seiner Arbeit inne und beobachtete ihre Durchfahrt. Manche winkten, aber manche auch nicht.
Auch Dörfer gab es, Ansammlungen hoher Häuser, die sich in ein Tal schmiegten. Wenn sie hindurchfuhren, kamen Kinder aus den Häusern und liefen hinter ihren Wagen her und kreischten vor Aufregung. Die Dorfbewohner beobachteten sie neugierig oder träge, bis es offensichtlich war, daß sie nicht anhalten würden. Dann rümpften sie die Nase und wandten sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten zu.
Als sich der Nachmittag dieses ersten Tages dem Abend zuneigte, führte Silk sie unter eine Baumgruppe neben der Straße, wo sie ihre Vorbereitungen für die Nacht trafen. Sie aßen die Reste von dem Schinken und Käse, den Wolf aus Faldors Vorratskammer hatte mitgehen lassen und breiteten dann ihre Decken auf der Erde unter den Wagen aus. Der Boden war hart und kalt, aber das aufregende Gefühl, auf einem großen Abenteuer zu sein, half Garion, die Unbequemlichkeiten zu ertragen.
Am nächsten Morgen begann es jedoch zu regnen. Es war zuerst ein feiner, nebliger Regen, der vor dem Wind davonstob, aber
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