Kind der Prophezeiung
fragte der andere.
»Rüben«, antwortete Silk abweisend. »Meine Familie war seit Generationen im Gewürzhandel tätig, aber ich muß mich damit abgeben, Rüben zu verhökern.« Er seufzte tief. »Die Welt ist schon recht durcheinander, guter Freund, nicht wahr?«
»Wir sind verpflichtet, deine Wagen zu durchsuchen«, sagte der Wachhabende. »Es wird wohl einige Zeit dauern, fürchte ich.«
»Und naß wird es werden«, meinte Silk und blickte hoch in den Regen. »Es wäre sehr viel angenehmer, wenn man die Zeit damit verbringen könnte, sein Inneres in einer freundlichen Taverne zu befeuchten.«
»Das ist aber schwierig, wenn man nicht viel Geld hat«, tastete sich der Wachmann hoffnungsvoll vor.
»Es wäre mir ein großes Vergnügen, wenn ihr ein kleines Zeichen der Freundschaft von mir annehmen würdet, um euch besser befeuchten zu können«, bot Silk an.
»Du bist äußerst freundlich«, antwortete der Wachmann mit einer leichten Verbeugung.
Einige Münzen wechselten den Besitzer, worauf die Wagen ohne Durchsuchung in die Stadt fuhren.
Von dem Hügel aus hatte Darin recht vielversprechend ausgesehen, aber als sie durch die nassen Straßen klapperten, fand Garion das kaum noch. Die Gebäude sahen in ihrer wichtigtuerischen Zurückhaltung alle gleich aus, und die Straßen waren voller Abfall und Schmutz. Der Salzgeruch des Meeres war hier vermischt mit dem Gestank nach totem Fisch, und die Gesichter der Menschen, die vorbeihasteten, waren düster und unfreundlich. Garions erste Aufregung legte sich.
»Warum sind die Leute hier alle so unglücklich?« fragte er Meister Wolf.
»Sie haben einen strengen und fordernden Gott«, antwortete Meister Wolf.
»Welcher Gott ist das?« fragte Garion.
»Geld«, sagte Wolf. »Geld ist ein schlimmerer Gott als Torak selbst.«
»Setz dem Jungen nicht solch einen Unsinn in den Kopf«, sagte Tante Pol. »Die Menschen sind nicht wirklich unglücklich, Garion. Sie haben es nur alle eilig. Sie haben wichtige Angelegenheiten zu erledigen und haben Angst sich zu verspäten. Das ist alles.«
»Ich glaube nicht, daß ich gerne hier leben möchte«, meinte Garion. »Es scheint ein unfreundlicher Ort zu sein.« Er seufzte. »Manchmal wünschte ich, wir wären alle wieder auf Faldors Farm.«
»Es gibt üblere Orte als Faldors Farm«, stimme Wolf zu.
Das Gasthaus, das Silk für sie auswählte, lag in der Nähe der Docks, und der Geruch des Meeres und des Ufers war sehr stark. Das Gasthaus aber war ein solides Gebäude mit angrenzenden Ställen und Schuppen für die Wagen. Wie in den meisten Gasthäusern wurde das Erdgeschoß von der Küche und der großen Gaststube mit ihren Tischreihen und großen Feuerstellen eingenommen. Die oberen Etagen enthielten Schlafräume für die Gäste.
»Es ist ein angemessener Platz«, verkündete Silk, als er zu den Wagen hinauskam, nachdem er kurz mit dem Gastwirt gesprochen hatte. »Die Küche scheint sauber zu sein, und ich habe kein Ungeziefer entdeckt, als ich die Schlafräume inspizierte.«
»Ich werde sie mir ansehen«, sagte Tante Pol und kletterte vom Wagen.
»Wie Sie wünschen, werte Dame«, sagte Silk mit einer höflichen Verbeugung.
Tante Pols Inspektion dauerte wesentlich länger als die von Silk. Es war schon fast dunkel, als sie auf den Hof zurückkehrte. »Angemessen«, sagte sie naserümpfend, »aber nur so gerade eben.«
»Wir haben ja auch nicht vor, uns für den Winter hier niederzulassen, Pol«, sagte Wolf. »Wir werden höchstens ein paar Tage bleiben.«
Sie ignorierte dies. »Ich habe angeordnet, daß uns heißes Wasser auf die Zimmer gebracht wird«, sagte sie. »Ich nehme den Jungen mit nach oben und wasche ihn, während du dich mit den anderen um die Wagen und die Pferde kümmerst. Komm, Garion.« Sie drehte sich um und ging zurück ins Gasthaus.
Garion wünschte inständig, daß sie aufhören würden, ihn als ›den Jungen‹ zu bezeichnen. Schließlich hatte er einen Namen, und der war nicht so schwierig, daß man ihn nicht behalten konnte. Er war der düsteren Überzeugung, daß sie ihn immer noch als Jungen behandeln würde, auch wenn er einen langen grauen Bart hatte.
Nachdem Pferd und Wagen versorgt waren und sie sich alle gewaschen hatten, gingen sie wieder in die Gaststube hinab und aßen zu Abend. Die Mahlzeit konnte sich natürlich nicht mit einer von Tante Pol vergleichen, aber es war eine willkommene Abwechslung von den Rüben, die Garion mittlerweile dermaßen zum Hals raushingen, daß er für den
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