Kind der Prophezeiung
nur gesehen, wie ihr mit euren Fingern herumgefuchtelt habt.«
»So haben wir uns unterhalten«, erklärte Silk. »Es ist eine eigene Sprache, die meine Landsleute vor Jahrtausenden entwickelt haben. Sie wird die geheime Sprache genannt, und sie ist viel schneller als eine gesprochene. Sie erlaubt uns auch, in Gegenwart von Fremden zu reden, ohne daß wir belauscht werden können. Ein Meister darin kann ein Geschäft abwickeln, während er sich über das Wetter unterhält, wenn er will.«
»Würdest du sie mir beibringen?« fragte Garion fasziniert.
»Es dauert lange, sie zu lernen«, meinte Silk.
»Wird die Reise nach Murgos nicht ziemlich lange dauern?«, fragte Garion.
Silk zückte die Achseln. »Wie du willst«, sagte er. »Es wird nicht leicht sein, aber ich denke, es wird helfen, die Zeit zu vertreiben.«
»Gehen wir jetzt ins Gasthaus zurück?« fragte Garion.
»Noch nicht sofort«, antwortete Silk. »Wir brauchen erst noch eine Ladung, um zu erklären, was wir in Muros wollen.«
»Ich dachte, wir würden mit leeren Wagen abreisen.«
»Werden wir auch.«
»Aber du hast gerade gesagt…«
»Wir werden jetzt einen Händler aufsuchen«, erklärte Silk. »Er kauft überall in Sendarien landwirtschaftliche Produkte und läßt sie auf den Farmen, bis der Markt in Arendien oder Tolnedra recht ist. Dann läßt er sie entweder nach Muros oder nach Camaar verfrachten.«
»Das klingt aber sehr kompliziert«, meinte Garion zweifelnd.
»Ist es aber nicht«, versicherte Silk. »Komm mit, mein Junge, du wirst schon sehen.«
Der Kaufmann war aus Tolnedra und trug ein fließendes, blaues Gewand und einen geringschätzigen Gesichtsausdruck. Er sprach gerade mit einem finster aussehenden Murgo, als Silk und Garion das Kontor betraten. Wie alle Angehörigen seiner Rasse, denen Garion begegnet war, hatte der Murgo tiefe Narben im Gesicht und durchdringende schwarze Augen.
Als sie eintraten und den Murgo erblickten, berührte Silk warnend Garions Schulter, dann trat er vor. »Verzeiht mir, edler Kaufmann«, sagte er einschmeichelnd. »Ich wußte nicht, daß du beschäftigt bist. Mein Laufbursche und ich werden draußen warten, bis du Zeit für uns hast.«
»Mein Freund und ich werden den größten Teil des Tages beschäftigt sein«, sagte der Tolnedraner. »Geht es um etwas Wichtiges?«
»Ich habe mich nur gefragt, ob du vielleicht eine Ladung für mich hast«, antwortete Silk.
»Nein«, sagte der Tolnedraner kurz angebunden. »Nichts.« Er wollte sich schon wieder dem Murgo zuwenden, als er innehielt und Silk eingehend musterte. »Bist du nicht Ambar von Kotu?« fragte er. »Ich dachte, du handeltest mit Gewürzen.«
Garion erkannte den Namen, den Silk dem Wachposten am Stadttor gegeben hatte. Es war klar, daß der kleine Mann diesen Namen schon früher benutzt hatte.
»Ach ja«, seufzte Silk. »Meine letzte Ladung liegt auf dem Meeresgrund direkt vor der Küste von Arendien – zwei volle Schiffsladungen, die für Tol Honeth bestimmt waren. Ein plötzlicher Sturm, und ich war ein armer Mann.«
»Eine tragische Geschichte, guter Ambar«, sagte der tolnedranische Kaufmann selbstgefällig.
»Jetzt muß ich Waren transportieren«, sagte Silk bescheiden. »Ich habe drei klapprige Wagen, das ist alles, was von dem Reichtum Ambars von Kotu übriggeblieben ist.«
»Rückschläge müssen wir alle einstecken«, meinte der Tolnedraner philosophisch.
»Das ist also der berühmte Ambar von Kotu«, sagte der Murgo, mit einer Stimme, die trotz des harten Akzents ganz sanft klang. Er betrachtete Silk von oben bis unten mit seinen prüfenden Augen. »Es war ein glücklicher Zufall, der mich heute hierhergeführt hat. Ich fühle mich geehrt, einen so berühmten Mann kennenzulernen.«
Silk verbeugte sich höflich. »Ihr seid zu gütig, edler Herr«, sagte er.
»Ich bin Asharak von Rak Goska«, stellte sich der Murgo vor. Er wandte sich an den Tolnedraner. »Wir können unsere Unterhaltung gerne unterbrechen, Mingan. Es wird uns zur Ehre gereichen, wenn wir einen so großen Kaufmann dabei unterstützen, seine Verluste wieder wettzumachen.«
»Ihr seid zu freundlich, werter Asharak«, sagte Silk und verbeugte sich erneut.
Garions Verstand schrie Warnungen aller Art, aber die scharfen Augen des Murgos machten es ihm unmöglich, Silk auch nur den kleinsten Fingerzeig zu geben. Er machte ein dummes Gesicht und starrte ausdruckslos vor sich hin, während seine Gedanken sich überschlugen.
»Ich wäre sehr glücklich, dir zu
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