Kind der Prophezeiung
»Überhaupt keine Spur?«, fragte er.
»Nicht ein Hinweis«, antwortete Wolf. »Er ist nicht hier durchgekommen.«
»Wohin jetzt?« fragte Barak und legte sein Kettenhemd zur Seite.
»Nach Muros«, antwortete Wolf.
Barak stand auf und ging ans Fenster. »Der Regen läßt nach, aber die Straßen werden schlecht befahrbar sein.«
»Wir können morgen sowieso noch nicht abreisen«, sagte Silk, der auf einem Hocker neben der Tür saß. »Ich muß unsere Rüben noch loswerden. Wenn wir sie wieder mit aus Darin herausnehmen, wird das merkwürdig aussehen, und wir wollen doch nicht, daß sich jemand an uns erinnert, der vielleicht Gelegenheit hat, mit einem herumziehenden Murgo zu reden.«
»Ich nehme an, du hast recht«, sagte Wolf. »Ich hasse es, Zeit zu verlieren, aber es geht nicht anders.«
»Die Straßen werden nach einem trockenen Tag besser sein«, meinte Silk, »und die Wagen kommen leer schneller voran.«
»Bist du sicher, daß du sie verkaufen kannst, Freund Silk?« fragte Durnik.
»Ich bin Drasnier«, antwortete Silk zuversichtlich. »Ich kann alles verkaufen. Vielleicht machen wir sogar noch einen guten Profit.«
»Mach dir darüber keine Gedanken«, sagte Wolf. »Die Rüben haben ihren Zweck erfüllt. Jetzt müssen wir sie nur noch loswerden.«
»Das ist eine Sache des Prinzips«, sagte Silk leichthin. »Außerdem, wenn ich nicht ordentlich zu handeln versuche, würde auch das auffallen. Das Geschäft dauert nicht lange und wird unsere Abreise nicht hinauszögern.«
»Könnte ich mit dir gehen, Silk?« fragte Garion hoffnungsvoll. »Außer diesem Gasthaus habe ich von Darin noch nichts gesehen.«
Silk blickte Tante Pol fragend an.
Sie überlegte einen Moment. »Ich glaube nicht, daß es schaden kann«, sagte sie. »Es gibt mir Zeit, mich um einiges zu kümmern.«
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück zogen Silk und Garion los. Garion trug einen Sack voll Rüben. Der kleine Mann schien außerordentlich guter Laune zu sein, seine lange, spitze Nase zuckte geradezu. »Der springende Punkt«, erklärte er, während sie durch die schmutzigen, gepflasterten Straßen gingen, »ist, daß man nicht zu verkaufswillig erscheinen darf – und natürlich den Markt kennen muß.«
»Das klingt vernünftig«, sagte Garion höflich.
»Gestern habe ich ein paar Erkundigungen eingezogen«, fuhr Silk fort. »Rüben werden in den Docks von Kotu in Drasnien für einen drasnischen Silbergroschen pro Zentner verkauft.«
»Für einen was?« fragte Garion.
»Eine drasnische Münze«, erklärte Silk, »fast dasselbe wie ein silberner Reichstaler, nicht ganz, aber fast. Der Händler wird versuchen, unsere Rüben für nicht mehr als ein Viertel davon zu kaufen, aber er wird bis auf die Hälfte hochgehen.«
»Woher weißt du das?«
»Es ist so üblich.«
»Wie viele Rüben haben wir?« fragte Garion und ging vorsichtig um einen Haufen Müll auf der Straße herum.
»Wir haben dreißig Zentner«, sagte Silk.
»Das wären…« Auf Garions Stirn erschienen bei dieser schwierigen Rechnung Falten.
»Fünfzehn Reichstaler«, half Silk. »Oder drei Goldkronen.«
»Gold?« fragte Garion, denn Goldmünzen waren auf dem Lande so selten, daß das Wort allein schon ein magischer Hauch umgab.
Silk lachte. »Es ist immer vorzuziehen«, sagte er. »Es ist leichter zu tragen. Das Gewicht von Silber wird lästig.«
»Und wieviel haben wir für die Rüben bezahlt?«
»Fünf Reichstaler«, antwortete Silk. »Der Farmer bekommt fünf, wir bekommen fünfzehn und der Händler bekommt dreißig?« fragte Garion ungläubig. »Das erscheint mir aber nicht sehr gerecht.«
Silk zuckte die Schultern. »So sind die Dinge nun einmal«, sagte er. »Hier ist das Kaufmannskontor.« Er deutete auf ein recht imposantes Gebäude mit breiten Stufen. »Wenn wir hineingehen, wird der Händler so tun, als sei er sehr beschäftigt und überhaupt nicht an uns interessiert. Später, während er und ich handeln, wird er dich bemerken und dir sagen, was für ein großartiger Bursche du bist.«
»Ich?«
»Er wird denken, du seist ein Verwandter von mir – ein Sohn oder Neffe vielleicht –, und er wird glauben, mir gegenüber einen Vorteil zu gewinnen, wenn er dir schmeichelt.«
»Welch seltsame Idee«, meinte Garion. »Ich werde ihm viel erzählen«, fuhr Silk fort, der jetzt sehr schnell redete. Seine Augen glitzerten, und seine Nase zuckte jetzt wie die eines Kaninchens. »Achte nicht auf das, was ich sage, und laß dir keine Überraschung
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