Kind der Prophezeiung
erfunden?«
»Niemand hat sie erfunden«, sagte Garion. »Ich habe sein Gesicht beobachtet, als er gestern mit ihr sprach. Man kann ganz deutlich sehen, was er für sie empfindet.«
»Ich bin sicher, das hast du dir nur eingebildet«, sagte Durnik mißbilligend. Er stand auf. »Wir wollen uns etwas umsehen. Dann haben wir etwas Besseres zu tun, als herumzusitzen und über unsere Freunde zu klatschen. So etwas sollten anständige Leute nicht tun.«
»Schön«, stimmte Garion etwas verwirrt zu. Er stand auf und folgte Durnik durch den verräucherten Saal in den Flur.
»Wir könnten uns die Küche anschauen«, schlug Garion vor.
»Und die Schmiede«, sagte Durnik.
Die königliche Küche war riesig. Ganze Ochsen brieten an Spießen und Gänsescharen brutzelten in Saucenmeeren. Eintöpfe blubberten in wagengroßen Kesseln, und Batterien von Brotlaiben wurden in Ofen geschoben, die so groß waren, daß man darin stehen konnte. Im Gegensatz zu Tante Pols wohlorganisierter Küche auf Faldors Farm herrschten hier nur Chaos und Durcheinander. Der Chefkoch war ein riesiger Mann mit rotem Gesicht, der Befehle brüllte, die von allen ignoriert wurden. Es wurde gerufen, gedroht und derbe Scherze getrieben. Ein Löffel, im Feuer erhitzt und an einer Stelle liegengelassen, an der ihn ein argloser Koch mit Sicherheit anfassen würde, rief kreischende Heiterkeit hervor, und der Hut eines Mannes wurde entwendet und absichtlich in einen Eintopfkessel geworfen.
»Laßt uns woanders hingehen, Durnik«, sagte Garion. »Hier ist es ganz anders, als ich erwartet habe.«
Durnik nickte. »Herrin Pol würde all diese Narrheiten nie dulden«, sagte er mißbilligend.
Auf dem Gang vor der Küche schlenderte ein Mädchen mit rotblondem Haar und tiefausgeschnittenem hellgrünen Kleid herum.
»Entschuldigung«, sagte Durnik höflich. »Könntest du uns den Weg zur Schmiede zeigen?«
Sie sah ihn unbefangen von oben bis unten an. »Seid ihr neu hier?« fragte sie. »Ich habe euch noch nie gesehen.«
»Wir sind hier nur zu Besuch«, antwortete Durnik.
»Wo kommt ihr her?« erkundigte sie sich.
»Aus Sendarien«, sagte Durnik.
»Wie interessant. Vielleicht könnte der Junge eine Besorgung für dich erledigen, und wir beide könnten uns dann etwas unterhalten.« Sie warf ihm einen eindeutigen Blick zu.
Durnik hustete und bekam rote Ohren. »Die Schmiede?«, fragte er nochmals.
Das Mädchen lächelte. »Im Hof am Ende dieses Ganges«, sagte sie. »Normalerweise bin ich hier irgendwo in der Nähe. Du wirst mich sicher finden, wenn du deine Angelegenheit mit dem Schmied erledigt hast.«
»Ja«, meinte Durnik, »das könnte ich sicher. Komm, Garion.« Sie gingen den Gang entlang und hinaus auf den verschneiten Hof.
»Unerhört!« sagte Durnik mit immer noch glühenden Ohren. »Das Mädchen hat keinerlei Gefühl für Anstand. Ich würde es melden, wenn ich wüßte, bei wem.«
»Schockierend«, stimmte Garion, heimlich amüsiert über Durniks Entrüstung, zu. Sie gingen durch den leise fallenden Schnee über den Hof.
Die Schmiede wurde von einem großen, schwarzbärtigen Mann geführt, mit Unterarmen so dick wie Garions Oberschenkel. Durnik stellte sich vor, und bald fachsimpelten die beiden fröhlich zu den klingenden Schlägen des Schmiedehammers. Garion bemerkte, daß statt der Pflüge, Spaten und Hacken, die eine sendarische Schmiede anfüllten, hier die Wände mit Schwertern, Speeren und Streitäxten behangen waren. An einer Esse hämmerte ein Lehrling Pfeilspitzen, an einer anderen arbeitete ein hagerer, einäugiger Mann an einem gefährlich aussehenden Dolch.
Durnik und der Schmied unterhielten sich den größten Teil des Vormittags, während Garion in dem Innenhof umherwanderte und den verschiedenen Arbeitern bei ihren Aufgaben zusah. Es waren Küfer und Wagenmacher, Schuster und Zimmerleute, Sattler und Kerzenzieher; alle eifrig bei der Arbeit, um den großen Haushalt von König Anheg zu unterhalten. Während er zusah, hielt Garion auch die Augen offen nach dem Mann im grünen Umhang mit dem hellen Bart, den er am Abend vorher gesehen hatte. Es war unwahrscheinlich, daß der Mann sich hier aufhielt, wo ehrliche Arbeit geleistet wurde, aber Garion blieb trotzdem wachsam.
Gegen Mittag kam Barak zu ihnen und brachte sie zurück in die große Halle, wo Silk herumlungerte und gespannt ein Würfelspiel verfolgte.
»Anheg und die anderen treffen sich heute nachmittag vertraulich«, sagte Barak. »Ich muß eine Besorgung machen und
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