Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
Mädchen. Als gelegentliche Konsumentin von Drogen und als Prostituierte fiel sie natürlich in eine einschlägige Kategorie, die sie von Vicki Gibson trennte. Die einzige Verbindung zwischen den beiden war ihr etwa gleiches Alter. Darüber hinaus waren keine Ähnlichkeiten zu entdecken.
John Kramer war dreiundvierzig Jahre alt, Türsteher im Santiagos Nightclub im Stadtteil Beeston. Wie es aussah, war er auf dem Weg zu einer ganz anderen Arbeit gewesen, aber auch ein paar äußerst diskrete Erkundigungen im Club brachten nicht zutage, worum es sich dabei handeln könnte. Immerhin war klar, dass die Zahl derer, die ihm möglicherweise etwas antun wollten, deutlich höher war als bei den anderen Opfern. Das war Teil des Problems, vor dem wir standen. So viele Verdächtige für einen dieser Morde wir auch finden mochten – ohne eine plausible Erklärung für den gesamten Zusammenhang brachte uns das nicht weiter.
Das dritte Opfer auf dem Brachland war als die dreiundfünfzig Jahre alte Marion Collins identifiziert worden. Soviel wir bisher wussten, hatte sie jedoch überhaupt keine Feinde. Ihr Ehemann hatte sie am selben Morgen vermisst gemeldet. Aber bis die Meldung bei uns einging, waren Stunden vergangen. Collins hatte nachts in einem Büro geputzt – einem anderen als dem, wo Vicki Gibson gearbeitet hatte – und sich tagsüber um ihren Ehemann gekümmert, der behindert und an den Rollstuhl gefesselt war.
Trotz des Altersunterschieds zwischen den beiden passte sie in die gleiche demographische Gruppe wie Vicki Gibson – eine Frau, die hart arbeitet und sich schindet, um genügend Geld für sich und ihre Familie zusammenzukratzen. Sonst hatten die beiden Frauen nichts miteinander gemein, von dem Desaster einmal abgesehen, das ihr Tod für die Angehörigen bedeutete. Wir hatten bisher nur herausgefunden, dass keine der Frauen größere Schulden hatte, die Vergeltungsmaßnahmen gleich welcher Art gerechtfertigt hätten.
Auch die Rechtsmediziner hatten nichts Hilfreiches zutage gefördert. Nichts über die Opfer, nichts über den Brief. Nichts über irgendetwas.
»Komm zurück auf den Boden, Hicks.«
»Ich bin auf dem Boden, Laura. Ich bin zu hundert Prozent geerdet.«
»Bist du nicht. Das passiert dir häufig in letzter Zeit – immer verflüchtigst du dich in den Äther. Diese Geistesabwesenheit sieht dir so gar nicht ähnlich.«
»Nein?«
»Nein. Normalerweise drückst du dich viel unklarer aus.«
»Na, das ist ja mal ein Wort!«
»Ich meinte das nicht negativ. «
Es sollte ein Witz sein, auch wenn mir die Vorstellung, dass ich so rüberkam, überhaupt nicht gefiel.
»Ich habe immer eine klare Meinung gehabt. Ich finde nur, dass man es nicht übertreiben muss, oder? Tote sind und bleiben tot, so viel ist sicher. Und unser Job besteht einzig und allein darin, die zu schnappen, die einen Toten auf dem Gewissen haben. Wir sind keine …« Ich sah mich nach der Grabstelle um. »Na ja, wir sind eben keine Heiligen, oder?«
»Also, was ist los? Du hast doch irgendetwas.«
Ich zuckte mit den Schultern. Es war schwer zu erklären. Es war nicht nur dieser Fall, auch wenn ich einräumen musste, dass er angesichts der Probleme, die Rachel und ich im Augenblick hatten, zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen war.
»Probleme zu Hause«, erklärte ich.
»Aha. Möchtest du darüber reden?«
»Nee.« Ich überlegte. »Darf ich dich etwas fragen?«
»Klar.«
»Glaubst du an Gut und Böse?«
»Verdammt, Hicks.« Sie blieb stehen. »Meinst du das im Ernst?«
Ich nickte.
»Na gut.« Wir gingen weiter. »Kommt drauf an, was du meinst. Ich persönlich habe kein Problem damit, Leute so einzuteilen. Ich meine, es sind nur Worte. So gut wie andere Worte auch, für so manches, mit dem wir es zu tun haben, oder?«
Ich schwieg.
»Aber es hat auch Momente gegeben, bei denen mir Zweifel gekommen sind.« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn du zum Beispiel so einen Bastard heulen siehst wegen dem, was er verbrochen hat, und der einfach nicht versteht, wie es dazu gekommen ist. So als wäre jemand für ihn eingesprungen und hätte es getan, als er gerade nicht hinguckte. Verstehst du?«
Ich nickte. »Glaubst du, dass Menschen schon böse zur Welt kommen?«
»Du lieber Himmel. Ich weiß es nicht. Nein, ich glaube eher, dass Menschen leer geboren werden. Und dann ein beschissenes Leben haben. Aber das ist nicht dasselbe, glaub ich. Es ist, wie du immer sagst. Eine Geschichte von Ursache und Wirkung.«
»Ja.«
»Aber das
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