Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
ist doch alles dummes Zeug, Andy. Du hast vorhin selber gesagt, dass wir keine Heiligen sind. Wir müssen das Schwein kriegen, nicht erklären. Und wir werden ihn kriegen.«
»Ja, das werden wir.«
»Und wenn wir ihn haben, wird es etwas geben. Nicht die Macht des Bösen. Irgendetwas. Es gibt einen Grund.«
»Weil es immer einen gibt.«
»Genau.« Sie versetzte mir mit dem Ellbogen einen leichten Stoß in die Seite. »Das hast du mir beigebracht. Die meiste Zeit verabscheue ich dich, auch wenn ich im Grunde weiß, dass du recht hast. Hab mehr Vertrauen in dich. Ich brauche dich jetzt, mit deiner ganzen Kraft.«
»Du verabscheust mich wirklich die meiste Zeit?«
»Na ja, sagen wir, du irritierst mich.«
»Das entspricht schon eher meiner Absicht.«
Wir setzten unseren Weg fort. Ich wollte glauben, was Laura gesagt hatte, war aber nicht sicher, ob ich das konnte.
Ein Stück weiter erspähte ich einen Friedhofsgärtner. Ein übergewichtiger Mann in einem blauen Overall, der den Weg von den wenigen Blättern befreite, die von den Bäumen gefallen waren.
»Warte mal einen Moment hier auf mich«, bat ich Laura.
Er sah auf, als ich ihn erreichte, und schielte unter einer blauen Baseballmütze hervor. Seiner Haut nach zu urteilen, von den Elementen und dem Alkohol gegerbt, rot verfärbt, war er mindestens sechzig.
»Hallo«, fing ich an.
»Hallo.«
»Sie sind der Gärtner hier?«
»Einer von mehreren, ja.«
»Ich bin Detective Andrew Hicks.« Ich hielt ihm meine Marke hin. »Arbeiten Sie immer hier?«
»Ja.« Er lehnte die Harke an einen Baum. »Worum geht’s?«
»Nichts Besonderes. Wie heißen Sie?«
»Henderson, Stephen Henderson.«
Ich versuchte, mir das zu merken.
»Gut. Hier ist meine Visitenkarte mit der Durchwahl.« Leicht unwillig nahm er sie entgegen. »Kommt es hier schon mal zu Vandalismus?«
Henderson sah sich um.
»Nicht oft. Ab und zu mal, ja. Die jüdischen Gräber werden schon mal verwüstet, aber das ist jetzt schon lange nicht mehr passiert.« Es klang fast vorwurfsvoll. »Wir haben Ihnen das aber gemeldet.«
»Ja, natürlich«, sagte ich. »Ich will nur, dass Sie meine Karte behalten und mich anrufen, wenn etwas sein sollte. Okay? Egal was. Würden Sie das tun?«
Henderson runzelte die Stirn.
»Keine Sorge«, sagte ich. »Ich werde auch mit der Verwaltung sprechen. Es ist nur, weil jemand wie Sie vielleicht eher etwas bemerkt, wovon andere nichts mitbekommen. Wenn jemand sich hier herumtreibt, der hier nichts zu suchen hat, oder irgendwo etwas beschädigt wird, dann hätte ich gern, dass Sie mich anrufen. Okay?«
»Geht klar.«
»Danke für Ihre Hilfe.«
Ich ging zurück zu Laura.
»Was wolltest du denn von dem?«, wollte sie wissen.
»Nur so ein Gedanke.« Wir gingen weiter. »Nur so ein Gedanke.«
19
D ie Pressekonferenz hatten wir für den Nachmittag anberaumt, kein guter Zeitpunkt für die Abendzeitung, aber genau richtig für die Fernsehnachrichten. Natürlich waren die überregionalen Sender inzwischen auf uns aufmerksam geworden: Ein Serienmörder ist immer gut für Schlagzeilen. Etliche Fernsehteams hatten ihr Lager vor dem Revier aufgeschlagen, und immer wenn ich mich in den Empfangsbereich traute, schienen dort gerade Reporter das Revier zu betreten oder zu verlassen.
Ich ging ihnen tunlichst aus dem Weg. Ich fühlte mich nicht wohl mit all der Aufmerksamkeit – vor allem damit, angeblich das Gesicht der Ermittlungen zu sein. Nicht weil der Brief an mich adressiert gewesen war, sondern weil ich es noch nie leiden konnte, im Rampenlicht der Presse zu stehen.
Ich musste mich daran gewöhnen.
Der Konferenzraum war brechend voll an diesem Nachmittag. Es war heiß, und die Luft stand. Ich saß im hinteren Teil des Raums an einem kleinen Tisch und sprach in ein Mikrophon. Hinter mir hing ein dunkelblaues Banner. Laura saß neben mir. Sie sagte nichts. Meine Aufgabe heute war es, die vorbereitete Erklärung zu verlesen. Die Journalisten in den Reihen vor uns waren eifrig dabei, alles Gehörte in ihre Laptops zu hacken, wovon einiges vermutlich direkt auf Webseiten landete. Schwarze Kabel schlängelten sich über den Boden. Meine Erklärung wurde ununterbrochen vom Blitzlichtgewitter der Fotografen begleitet, die sich an den Seiten des Raums drängelten.
»Wir können jetzt mit Sicherheit sagen«, beschloss ich meine Verlautbarung, während ich den Blick schweifen ließ, »dass Marion Collins, John Kramer und Sandra Peacock Opfer desselben Mörders geworden sind,
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