Kind des Glücks
solches Unternehmen zu verlassen, war gewiß weniger groß als Guys, doch andererseits, welche Aussichten hatte ich ohne ihn auf Edoku, abgesehen von beständiger Armut und einem endlosen Mahl aus Eßblöcken?
»Kostenlos…«, fragte ich vorsichtig. »Warum tust du das für mich?«
»Porqué no?« erwiderte Guy überheblich. »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen, wie die alten Kommunisten sagten. Und wenn es um Kredit geht, dann ist meine Fähigkeit grenzenlos, und dein Bedürfnis ist absolut. Außerdem haben wir bereits festgestellt, daß wir unsere Gesellschaft amüsant finden.«
»Wir würden nicht im Elektrokoma reisen…?«
»Quelle chose!« rief Guy in gespielter Entrüstung. »Kannst du dir vorstellen, daß Guy Vlad Boca es amüsant findet, eine Reise zu durchschlafen, während die Zerstreuungen der Kosmokultur zur Verfügung stehen? Hältst du mich für einen gemeinen Hund, der einer Geliebten eine solche Fahrt anbieten könnte? Komm, Sunshine, komm mit mir als Geehrter Passagier im Grand Palais der Unicom Garden!«
»Ich könnte mich glatt überreden lassen…«, räumte ich in gespieltem Widerstreben ein. Naturellement war keine weitere Überredung nötig, denn es war genau dieser Zugang zur haut monde der Kosmokultur gewesen, für den ich mit meinen Eltern so verbissen, wenn auch leider vergeblich, gekämpft hatte. Und wenn Sunshine sich über Moussa hinaus entwickelt hatte, was heißen soll, daß sie der Zauberstraße folgte um des Abenteuers der Reise selbst willen und nicht wegen des Ziels oder Endpunktes – waren dann nicht Guy Vlad Boca ein verwandter Geist und das Grand Palais der Kosmokultur der camino real?
»Wenn es die Liebe ist, die dich überzeugen könnte, dann scheint mir eine entsprechende Demonstration angebracht«, sagte Guy. »Und ich glaube wirklich, daß ich inzwischen wieder bereit mit, mich der Herausforderung zu stellen.«
Das war er. Und so geschah es.
13
Also sagte ich in Begleitung meines Handelsprinzen dem großen Edoku Lebewohl, meinen Tagen mit Pater Pan, meinen Kameraden bei den Gypsy Jokern und meinem brennenden Ehrgeiz, als Geschichtenerzählerin Karriere zu machen – ohne einen mehr als flüchtigen Blick zurückzuwerfen, nachdem ich Zutritt zum Grand Palais der Unicorn Garden erhalten hatte.
Nennt mich flatterhaft, doch bedenkt auch dies: Wären meine Eltern dem einfach bewundernswerten Beispiel von Dominik Vlad Ella gefolgt und hätten mich so großzügig ausgestattet, daß ich mein Wanderjahr in dem Stil hätte beginnen können, an den mich zu gewöhnen ich gehofft hatte, dann hätte ich nie Edoku gewählt, hätte nie unter Armut und dem scheußlichen Essen der Anstalten gelitten, hätte nie Pater getroffen, wäre nie Gypsy Joker oder angehender Geschichtenerzähler geworden und hätte deshalb auch nie Guy Vlad Boca kennengelernt, der mich folglich nie hätte aus obenerwähnter Armut erlösen müssen.
Soll heißen, sobald wir an Bord der Unicorn Garden und von angenehm unterwürfigen Freidienern in eine prächtige, wenn auch nicht sehr geräumige Suite geführt worden waren, sobald ich sah, daß die Abflugsfeier im Grand Salon begann, verfügte ich über genügend spitzfindige Logik, um mich zu überzeugen, daß es auf die eine oder andere Weise von jeher meine Bestimmung gewesen war, in diesem Stil zwischen den Welten zu reisen.
Denn welch ein Unterschied war dies zu meiner ersten Sternenreise!
Wir hatten kaum unsere Habseligkeiten in unserer Kabine verstaut, als uns der Schiffsansager zur Abflugsfeier in den Grand Salon einlud. Das Grand Palais der Unicorn Garden verteilte sich auf fünf Decks; vom Bug zum Heck gezählt – in dieser Weise war auch die Schwerkraft abgestimmt – waren es das Vivarium, der Grand Salon, das Restaurantdeck, das Vergnügungsdeck und die Ebene mit den Traumkammern. Von diesen war der Grand Salon der Hauptschauplatz der Feiern oder besser der beständigen Feier, die während der neuntägigen Reise unter verschiedenen noms de jour stattfinden würde.
Maria Magda Chan, die Domo der Unicorn Garden, hatte den Grand Salon in einem Stil herrichten lassen, den ich nur »organiform« nennen kann, was nicht heißen soll, daß irgendwo Fauna oder Flora zu sehen gewesen wäre. Wenn man vom Zentralgang des Schiffes aus eintrat, stand man auf einer Plattform, von der eine Treppe im Halbkreis hinabführte; von diesem Aussichtspunkt aus konnte man den Grand Salon als Gesamtkunstwerk
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