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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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nachdem wir alle die kleinen braunen Tabletten geschluckt hatten, spürten wir die ersten Effekte, nämlich eine Aufhellung der Sinne und den Wunsch, in Bewegung zu sein. Raul schlug vor, das Vivarium zu besuchen, und wir stimmten sofort zu, denn bisher schien der psychische Verstärker bei uns vieren eine Übereinstimmung hervorzurufen, die an Telepathie grenzte.
    Doch es hielt nicht lange. Als wir das Vivarium erreichten, schlug Raul vor, wir sollten uns zusammen aufs Gras legen und durch stille Meditation versuchen, ein Satori zu erlangen, das er in Reichweite unseres kollektiven Geistes glaubte, dessen unaussprechliche Natur er jedoch nicht beschreiben konnte.
    Was mich anging, wäre es mir schwergefallen, mir etwas vorzustellen, das mir unter den gegebenen Umständen noch unangenehmer gewesen wäre, denn das Vivarium mit seinen hübschen Ersatzbäumen, dem künstlichen Himmel voll widersprüchlicher meteorologischer und astronomischer Elemente, diese pathetische Versammlung miniaturisierter Sagenwesen, tat alles andere, als meinen Geist zu entzücken, wie es seine Kunst eigentlich sollte, sondern nahm bald die Gestalt eines eigenartigen Schleiers der Maja an, der mit jedem Augenblick durchsichtiger wurde und drohte, sich völlig aufzulösen, um eine grenzenlose Langeweile zu enthüllen, deren Kontemplation nur eine zunehmende formlose Furcht hervorbrachte und deren volle Enthüllung das allerletzte Satori im Universum war, das ich erreichen wollte.
    Guy und Imre waren in dieser Umgebung ebensowenig an einer kontemplativen Reise nach innen interessiert.
    »Ich möchte umherstreifen«, sagte Imre zu Raul. »Statt diese Erfahrung auf eine einzige Kontemplation zu verschwenden, will ich meine Sinne sättigen, bis sie fast überladen sind.«
    »Vielleicht wären die Traumkammern ein interessanter Vorschlag«, sagte Guy.
    Ich wechselte telepathische Blicke mit ihm. Das letzte, was ich wollte, war eine ménage à trois mit ihm und Imre, den ich nicht im mindesten attraktiv fand; außerdem war ich ganz allgemein nicht zu tantrischen Spielen aufgelegt. Die Kraft der Droge war so stark, daß all dies mit einem Lidzucken und einem Verziehen der Lippen mitgeteilt wurde, und auf gleiche Weise gab Guy zurück, daß er verstanden hatte; jedenfalls schien es mir so.
    »Denn dort können wir unsere Wahrnehmung mit einem raschen Rundgang durch eine beliebige Anzahl fremdartiger Realitäten überladen«, sagte er, als wollte er klarmachen, daß er nichts Erotisches im Sinn hatte.
    Wir ließen den leise grollenden Raul im Vivarium zurück, wo er das Nirwana finden mochte, und suchten die Ebene der Traumkammern auf, wo Guy und Raul sich in meinen Augen in diesen privaten Boudoirs völlig danebenbenahmen, denn diese Umgebung war für romantische Stunden entworfen. Glücklicherweise versiegelten sich die einzelnen Traumkammern automatisch, sobald sie belegt waren, so daß ihr schallendes Gelächter und ihre albernen Witze zumindest keine erotischen Übungen störten, doch mehr als einmal schossen Paare, die Hand in Hand durch die Flure wanderten, zornige und verletzte Blicke auf uns ab, so daß der ohnehin schon schlechte Ruf, in dem die Kinder des Glücks bei ihren Mitpassagieren standen, noch weiter beschädigt wurde.
    Mir selbst war au contraire gar nicht zum Scherzen zumute, als ich hinter diesen gewöhnlichen Burschen hertrottete, die durch die Korridore tollten, in schwerkraftlosen Traumkammern herumsprangen, sich zum Spaß in der Kammer mit dem blauem Flaum prügelten, vor dem kugelförmigen Spiegel Fratzen zogen, in der Kammer mit dem künstlichen menschlichen Fleisch obszöne Pantomimen aufführten und die Umgebung, in der Guy und ich uns geliebt hatten, auf eine Weise behandelten, die den angeblich romantischen Geist unserer Männer Lügen strafte – zumindest in den Augen dieser Beobachterin des anderen Geschlechtes.
    Außerdem begann ich, nachdem das romantische Ambiente der Traumkammern durch diese pubertäre Entweihung zerstört war, zu erkennen, was mir – wenigstens unter Drogeneinfluß – wie der weniger angenehme Aspekt der Traumkammern selbst erschien. Denn wie kunstvolle tantrische Bilder, die gewöhnlich die erotische Phantasie anregen, für einen Betrachter, dessen libidinöse Energien aus dem einen oder anderen Grund zum Schlaf gezwungen sind, mechanisch und sogar widerwärtig und pervers erscheinen können, so kamen mir nun diese Traumkammern vor wie die pathetischen Tricks, mit denen Frauenzimmer versuchen,

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