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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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vollkommene Perfektion völligen Amüsements erreicht hat, dasselbe im unvollkommen amüsanten Reich der Maja so begierig anstrebt, wie ich es tue?« sagte er feierlich. »Und wie Imre und Raul es tun? Und die edle Gesellschaft der Geehrten Passagiere? Vraiment, wie wir es alle tun, und wenn ich ehrlich sein soll, bist du keine Ausnahme.«
    Vielleicht wirkte die psychedelische Droge auf meine Wahrnehmung ein, vielleicht sprach sie durch Guy, oder sie hatte eine geistige Übereinstimmung erzeugt und bewegte uns gleichzeitig; auf jeden Fall schien sich seine ganze Erscheinung vor mir zu verändern, und was ich nun sah, schien sein nackter, unverhüllter Geist zu sein, ein Geist, dessen oberflächliche Fröhlichkeit eine dunklere Besessenheit der Seele maskierte; einen tieferen Guy, als ich bisher gekannt hatte, und deshalb plötzlich ein geheimnisvolles Wesen.
    »Wer kann leugnen, daß alle menschlichen Geschichten auf die gleiche Weise beginnen und enden?« fragte er. »Vor unserer Geburt ist nichts, nach unserem Tod kommt die Leere, und alles, was wir besitzen, sind deshalb die Augenblicke dazwischen, die uns entweder amüsieren oder nicht. Manche Menschen suchen Reichtum, weil er amüsanter ist als Armut, Ruhm, weil er amüsanter ist als Einsamkeit, Wissen, weil es amüsanter ist als Langeweile, und so weiter. Für mich ist es der Augenblick vollkommenen Amüsements, den ich suche, egal mit welchen Mitteln und Konsequenzen, denn würde nicht ein einziger solcher Augenblick drei alltägliche Jahrhunderte von etwas Geringerem transzendieren?«
    »Gewiß«, sagte ich, »muß es doch mehr im Leben geben als das!«
    »Vraiment? Dann sage mir, was…«
    »Die Vervollkommnung des Geistes…? Das Erreichen einer absoluten Klarheit des Bewußtseins…?«
    »La même chose!« rief Guy. »Genau der Zustand, von dem ich spreche! Laß das Schicksal mir nur einen einzigen ewigen Augenblick solcher völligen Klarheit des Bewußtseins schenken! Denn würde nicht ein solcher Augenblick des Nirwana alles, was folgt, und alles, was ihm vorausging, völlig überflüssig machen? Für diesen einzigen Augenblick völligen Amüsements würde ich alles hergeben und alles riskieren, denn für ein Wesen, das dieses ultima thule erreicht hat, sind doch alle geringeren Amüsements bloße Fallstricke der zeitgebundenen Maja.«
    Weit davon entfernt, meinen Geist mit seiner trübsinnigen und schwer faßbaren Leidenschaft zu entflammen, flossen vielmehr Guys Worte mit der Wirkung der Droge und der Umgebung, in der ich mich befand, zusammen, um die Illusionen von Intellekt und Emotion, von Gewandtheit und Geist, vraiment, von Materie und Energie selbst zu zerstören – nicht, um jene nirvanische Einheit mit dem Atman, von der die Gurus aller Schulen sprechen, zu enthüllen, sondern, indem die letzte Haut einer Zwiebel endlich abgeschält wird, das absolute Nichts, die grausame Perfektion des Raumes offenzulegen. In diesem schrecklichen Augenblick, mit diesem völlig nutzlosen Satori, erkannte ich meinen eigenen Körper als zusammenhangloses Gebilde aus Zellverbänden, die Zellen selbst als Produkte molekularer Muster und die Moleküle als Ketten von Atomen, die Atome als Partikelwolken, die Partikel als bloße, unwahrscheinliche Wellen, die Wahrscheinlichkeit als momentane Störungen einer einzigen Unausweichlichkeit, und diese Unausweichlichkeit war – war – ein Nichts, dessen Konzept der Geist nicht zu erfassen wagte.
    Aus dieser Perspektive entsetzlicher Klarheit, in welcher der Grand Salon und alles darin bis hinunter zu den Elementarteilchen als reine Illusion enthüllt wurde, vraiment in der sogar unser Geist sich wider alle Wahrscheinlichkeit selbst aus der Leere zu beschwören schien, verstand ich plötzlich nur zu gut, welchen Fauxpas ich mir am Tisch der Domo erlaubt hatte.
    »Je comprends… «, flüsterte ich.
    »Vraiment«, sagte Guy. »Wir müssen diesen vollkommenen Augenblick finden, wenn die Zeit stillsteht…«
    Doch ich bemerkte kaum die Musik in seiner Stimme und schon gar nicht die Bedeutung seiner Worte, denn ich war in meiner eigenen schrecklichen Vision und ihrem Geplapper verloren. »Kein Wunder, daß die Kosmokultur jede Diskussion, jede künstlerische Auseinandersetzung und jeden Anblick meidet, der sie konfrontiert mit… mit…«
    »… mit dem, was die alten Weisen das Tao nannten und die Blumenkinder den prächtigen Tod des Ego…«
    »… all die Tricks, der künstliche Himmel, die miniaturisierten Sagengestalten

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