Kind des Glücks
im Vivarium…«
»… der gleichzeitige tantrische Höhepunkt, der Augenblick in Todesgefahr, die letzte Verstärkung der Biochemie unseres Bewußtseins…«
Es trat alles so schrecklich offen zutage. Genau wie die Leere im Innern, die jetzt in meinem Geiste tanzte, nur durch unsere ständige Heldentat bewußter Ignoranz zurückgehalten wurde, so wurde auch die große, einsame Leere jenseits dieser Schiffshülle nur durch bewußte Ignoranz der gesamten künstlichen Realität im Innern zurückgehalten.
Vraiment, war nicht die schwindelnde Übelkeit, die mich jetzt packte, genau das, was die ganze Kosmokultur mit ihrem Aufbau vermeiden wollte?
»Nichtig, nichtig; es ist wie Einstein Sergei Chu erklärte: Wir sind alle unwissende Wilde ohne den Mut, uns dem Geheimnis im dunklen Herzen aller unserer Philosophien zu stellen; wir jammern und winseln vor dem Angesicht der Leere!«
»Und der ganze Rest ist sinnlose Langeweile und die Lügen der Maja!«
»Quelle horreur!«
»Müssen wir uns diesem Schauspiel aussetzen?«
»Bring diese verwirrten Kreaturen in die Anstalten zurück, aus denen sie entsprungen sind!«
Plötzlich kehrte mein Bewußtsein ziemlich unvermittelt zum Alltagsreich zurück, wo ich peinlich berührt feststellte, daß Guy und ich vorgebeugt auf unseren Stühlen saßen und uns nicht an-, sondern durch uns durchgestarrt hatten, während wir unsere unverständlichen, berauschten Philosophien immer lauter und lauter geplappert hatten, bis wir fast riefen, bis unsere ungebührliche öffentliche Zurschaustellung eine zumindest ebenbürtige öffentliche Entrüstung gegen uns provoziert hatte.
Nun saßen wir da wie üble Schurken, von jedem angewiderten und überheblichen Auge angestarrt, Auslöser Dutzender geschürzter Lippen und gerümpfter Nasen, unbarmherzig bestraft von langem, lautem Schweigen.
Ich blickte Guy an. Guy blickte mich an. Aus dem Augenwinkel schielte ich im Grand Salon herum, wo die Geehrten Passagiere nun, da sie den unziemlichen Tumult mit ihrer Schmähung beruhigt hatten, der Quelle desselben den Rücken wandten und ihre vorherigen Tätigkeiten, ihr Essen und ihre feinen Gespräche wieder aufnahmen.
Vraiment, das schreckliche Satori war vorbei. Doch nicht jede Erinnerung daran.
Guy zuckte die Achseln. »Anscheinend sind wir wieder mal die Trottel«, sagte er mit einem wehmütigen Lächeln. »Aber leider scheinen wir mit dieser Vorstellung kein Ruegelt zu verdienen.«
»Anscheinend neigen wir beide auf unsere Weise dazu, laut und ohne Rücksicht auf soziale Schicklichkeit zu sprechen, wenn uns der Geist bewegt«, gab ich zu.
Guy sah mir einen Moment tief in die Augen, rollte dann die Augen herum, als wollte er die Gegend mustern, in der wir uns befanden, zwinkerte mir zu und war wieder der alte, fröhliche Guy. »Aber wie die Alten in ihrer Weisheit sagten: In vino veritas, nicht wahr!« erklärte er. »Denn was kann die soziale Schicklichkeit einwenden, wenn wir die Wahrheit sehen und verkünden?«
»Je ne sais pas, Guy«, gab ich zu. »Wer könnte etwas einwenden, wenn wir dieselbe Vision verkünden?«
Guy nahm meine Hand in seine, hob mein Kinn mit der anderen Hand und küßte mich leicht, während er mich auf die Füße zog. »Nur du und ich, no?« sagte er. »Stimmen wir nicht in genau diesem Augenblick überein, daß diese Soiree die Kraft verloren hat und nicht mehr amüsant ist? Schlagen unsere Herzen jetzt nicht wie ein einziges?«
Ich betrachtete noch einmal das Fest, das um uns im Gange war, die großartige, prächtige Gesellschaft der Kosmokultur, die crème de la crème unseres Zweiten Raumfahrenden Zeitalters, die haut monde, die eine junge Tochter von Nouvelle Orlean vor gar nicht so langer Zeit begierig im Auge gehabt hatte und die jetzt mich und meinesgleichen als gewöhnlich und unreif betrachtete.
»Vraiment, das hat sie«, sagte ich, indem ich lächelnd Guys Blick erwiderte, der aus seinem amourösen Interesse keinen Hehl machte. »Und vielleicht tun sie es.«
Doch als ich seine Hand faßte und mich von ihm willig in unser Boudoir führen ließ, betastete ich plötzlich die Schärpe, die um meine Hüfte lag, und irgendwie schien mir das Flickentuch näher und teurer als je zuvor.
Während die folgende passage d’amour mit Guy, dazu reichlich zehn Stunden ungestörten Schlafes die Chemikalie aus meinem Kreislauf spülten und die durch sie erzeugte metaphysische Angst aus meiner Seele, waren mir die Zerstreuungen der Reise im Grand Palais und jene,
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