Kind des Glücks
denen Guy, Raul und Imre weiterhin zusammen nachgingen, zutiefst zuwider.
Denn obwohl die chemisch induzierte Wahrnehmung des Universums als spirituell beängstigendes, leeres Nichts und das Wissen um uns selbst als bloße eingebildete Störungen darin mit der metaphorischen Morgendämmerung vergangen waren, verblaßte die Erinnerung an die Erfahrung nicht völlig.
In Wirklichkeit – das wußte ich auch damals schon – war die Weltanschauung, die meine Seele unter dem Einfluß der Droge so mit Furcht erfüllt hatte, wenig mehr als eine erhöhtes, subjektives Erfassen der Grundlagen der Quantenmechanik, die wir alle als Kinder lernten. Vraiment, unsere Zellen bestehen aus Molekülen, die Moleküle aus Atomen, die Atome aus Partikeln, die Partikel aus Elementarteilchen, die in Masse, Lebensdauer und Aufenthaltswahrscheinlichkeit immer weiter abnehmen, bis man entdeckt, daß Masse und Energie des Kosmos aus theoretisch endgültigen Partikeln mit der Masse Null, der Lebensdauer Null und der Wahrscheinlichkeit Null aus dem Nichts beschworen werden.
Doch im kalten, klaren Licht der Dämmerung besehen – was sollte das alles? Wenn die ganze Schöpfung nichts weiter ist als die Erzählung eines kosmischen Geschichtenerzählers, in der sich die Charaktere selbst aus ihrer eigenen Phantasie erschaffen, dann kann es dem Geist doch nur noch um die Kunst der Erzählung oder um das Fehlen derselben gehen, oder?
Soll heißen, es war der Stil der Geschichte, den die Kosmokulturen für sich wählten, der mir im Lichte meiner Erinnerung an die satorische Enthüllung des Offensichtlichen zuwider war. Denn hatte ich nicht voll ins Antlitz dessen geblickt, das all diese Tricks leugnen sollten, und war ich ihm nicht mit einer gewissen Phase der Angst und des Schreckens entkommen? Wie konnte ich deshalb diese Geehrten Passagiere, die mich für gewöhnlich hielten, als die Krone der Schöpfung betrachten, für die sie sich unübersehbar selbst hielten? Wie konnte ich die Pavane, aus der ich mangels gereifter Spitzfindigkeit und Welterfahrenheit verbannt war, als Leben auffassen, das ich anstreben sollte?
Oder, wie Guy es zweifellos ausgedrückt hätte, wo war hier für ein wahres Kind des Glücks das Amüsement zu finden?
Die Amüsements, denen Guy, Raul und Imre sich während der restlichen Reise nach Belshazaar hingaben, gingen genauso weiter wie zuvor, doch mir war es einerlei.
Die Geehrten Passagiere umgaben sich mit einer Umwelt aus Illusionen, aus Materie und Energie geschaffen, während Guy, Raul und Imre die Realität der Leere hinter der Hülle und die Leere im Innern des Geistes hinter einer Reihe von Illusionen verbargen, die sie erschufen aus der psychedelischen Veränderung der biochemischen Matrix, in der das Bewußtsein ruht. Und wehe ihrem Geist, wenn die Illusion versagte und die Wahrheit enthüllte, die sie leugnen sollte!
Zweifellos entstammt ein großer Teil der metaphysischen Stimmigkeit des oben Gesagten der reiferen Einschätzung der Erzählerin dieser Geschichte und nicht den Einsichten eines jungen Mädchens, das sich weigerte, während der Reise durch die Leere weitere psychedelische Substanzen, egal wie harmlos, einzunehmen, und die ihre Zeit nun damit verbrachte, ziellos und unendlich gelangweilt durch die Zerstreuungen des Grand Palais zu streifen.
Von der haute cuisine hatte ich die Nase voll, die passive Aufnahme von Kunst und Vorstellungen ging mir auf die Nerven, und auf müßige Gespräche hatte ich keine Lust – weder mit den eleganten, Geehrten Passagieren noch mit meinen regelmäßig berauschten Gefährten. Nur mein Verlangen nach erotischen Begegnungen mit Guy wurde zwangsläufig verstärkt, denn von allen Ablenkungen, mit denen man die langen Stunden im Grand Palais totschlagen konnte, war dies die einzige, an der ich aktiv teilnehmen konnte.
Kurz gesagt, was dem Leben an Bord der Unicorn Garden wie dem Leben aller Kosmokulturen fehlte, war – wie ich es sah – das Abenteuer. Ich wollte nicht unterhalten werden, ich wollte handeln. Ich wollte nicht nur zusehen und zuhören, ich wollte etwas tun.
Welche Abenteuer ich suchte, welche Auftritte ich machen wollte, welche leidenschaftlich ersehnten Taten ich vollbringen wollte – all dies wußte ich leider nicht.
Ich wußte nur, daß ich mehr als bereit war, die Unicorn Garden zu verlassen und abermals auf der realen Oberfläche eines fremden Planeten zu stehen. So verbrachte ich den Rest der Reise damit, mich auf unsere Ankunft auf
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