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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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während jeder Zuwachs an Ladung ein Stück weit das Elektrohologramm des Bewußtseins verstärkt, erzeugt er gleichzeitig einen Zuwachs an Instabilität im Gesamtmuster, so daß vermeintlich immer höhere Bewußtseinszustände erreicht werden, während die Person, die sie erreicht, immer vager und vager wird, bis – zumindest in der Theorie – die letzte Erleuchtung von einem menschlichen Nichts erreicht wird.
    Ohne mir Zeit für diese Gedanken zu nehmen, riß ich die Drähte aus der Konsole und warf das gefährliche Ding mit aller Kraft gegen die Wand, wodurch es in tausend Stücke zersprang.
    Endlich nahm Guy Vlad Boca meine Anwesenheit zur Kenntnis, indem er das Gesicht in meine Richtung wandte, während seine Augen verwirrt und relativ klar blinzelten.
    »Wie konntest du dir so was antun, Guy?« schrie ich. »Ist ein geistiges Harakiri in Zeitlupe das, was du dir unter vollkommenem Amüsement vorstellst?«
    »Vielleicht nicht… vollkommen…«, brabbelte er, während er abermals in seinen inneren Raum starrte, »aber vielleicht so nahe, wie wir es vermögen…«
    »Merde, das geht mir über die Hutschnur!« rief ich, und ohne weiter nachzudenken, riß ich ihm die Elektroden vom Kopf und benutzte den Fühler auf eine Weise, wie ich es noch nie versucht hatte. Ich legte die Hand an seine Schädelbasis und sandte einen Energiestoß durch sein Kleinhirn, der gereicht hätte, eine Leiche aufspringen und einen Wagen ziehen zu lassen.
    Der Stoß genügte immerhin, um ihm den Anschein normaler Bewußtheit zurückzugeben.
    »Mit welchem Recht hast du das gemacht, wer bist du, die Ziele eines anderen Geistes zu beurteilen? Ich habe nur gespielt mit…«, sagte er, während er mich zuerst aufgebracht, dann wie ein kleiner Junge betrachtete, dessen Mutter ihn mit der Hand in der Keksdose erwischt hat.
    »Was soll ich denn deiner Meinung nach machen? Geduldig dabeisitzen und zusehen, wie du dein Bewußtsein auslöschst?«
    »Ich bin kein elender Ladersüchtiger, ich wäre nie völlig ausgeflippt«, sagte er mit großartig gespielter Entrüstung, die nicht ganz zum verletzten Ausdruck in seinen Augenwinkeln paßte. »Ich wollte nur die nirvanischen Freuden schmecken, die die Ladersüchtigen zelebrieren. Ein Meisterpsychonaut wie Guy Vlad Boca ist nicht so schwach, daß er unrettbar süchtig würde.«
    »Wirklich nicht? Wie du auch nicht die Schwäche hattest, dich völlig den viel weniger mächtigen Verlockungen der Santorien auszuliefern?«
    »Was kann es etwas anderes sein als eine edle Berufung, wenn man gleichzeitig verdient und das Bewußtsein erweitert, während man der medizinischen Forschung dient?«
    »Vraiment?« fragte ich, indem ich mich neben seinen Stuhl hockte. »Wenn dein Bewußtsein so großartig verstärkt ist, dann frage ich dich, warum du den prächtigen Anblick vor deinen Augen noch nicht bemerkt hast.«
    Er starrte mich verwirrt an.
    Mit einem verzweifelten Stöhnen packte ich sein Kinn und richtete mit schierer Gewalt seinen Blick auf das Holobild des Bloomenveldts, das den scheußlichen Anblick von Ciudad Pallas ersetzt hatte. Er riß überrascht die Augen auf und begann, seine normale Vitalität zurückzugewinnen.
    »Ja, Guy«, schmeichelte ich so verführerisch, wie ich es unter den Umständen hinbekam, »nicht diese verdammte Stadt mit ihren unnatürlichen Experimenten und den noch unnatürlicheren Bewohnern, sondern das Bloomenveldt, gegen das alles hier nur ein bleicher und verzerrter Schatten ist. Vraiment, das ist lediglich ein Holo. Aber kannst du dir vorstellen, wie wir Hand in Hand im Zauberwald der Baumwipfel stehen, mit der warmen Sonne auf der Haut und tausend berauschend schweren Düften in der Nase, herangeweht von dem Wind, der dein Haar zaust und durch die Äste wispert, der den Boden wiegt, auf dem wir wandeln wie transzendente Wesen über die rollende Oberfläche eines Ozeans aus Bäumen…«
    Guy reagierte auf diese romantische Übertreibung mit einem Achselzucken. »Très simpatico für einen Anhänger bukolischer Freuden, doch für urbane, gebildete Geister wie unsere doch wohl ein Witz?«
    »Wie kann dich nicht der brennende Wunsch erfassen, sofort dort zu sein?« sagte ich so gleichmütig wie möglich, während ich meine Entrüstung über seine Stumpfheit unterdrückte.
    »Aber warum? Trotz seiner Prächtigkeit ist es nur ein Wald…«
    »Nur ein Wald!«
    »Gewiß gibt es doch in den Städten der Menschen zahllose kunstvollere Amüsements und Abenteuer des Geistes als alles,

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