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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Großzügigkeit abhing und von ihm Brot und Essen bekam, nur gelegentlich ein Labor aufsuchte, um ein Taschengeld zu verdienen, und auch das nur unter dem Druck der Langweile, der jeden Tag unerträglicher wurde.
    Angesichts dieser unstrittigen Großzügigkeit, wenn es um die Finanzen ging, konnte ich kaum so gemein sein, ihn an Punkten zu sticheln, an denen er äußerst verwundbar war: Nämlich erstens mit der Tatsache, daß er allein für meine Anwesenheit in dieser gräßlichen Stadt verantwortlich war, zweitens damit, daß seine Kraft als Geliebter gegen Null strebte, weil seine libidinösen Energien im schwarzen Loch seiner solipsistischen psychotropischen Besessenheit verschwanden.
    Hätte ich Guy Vlad Boca an diesem Punkt verlassen, wenn ich genug Mittel besessen hätte, um Belshazaar auf eigene Faust zu verlassen? Je ne sais pas, denn ich hatte keine solche Wahlmöglichkeit. Doch vielleicht hätte ich ihn dennoch nicht der demimonde der Sanatorien ausgeliefert – jedenfalls bilde ich es mir ein.
    Certainement, ich hatte zu meinem Entsetzen eine unschöne Seite in seinem Geist entdeckt, die jetzt mehr und mehr zutage trat. Und doch blieb er auch ein großmütiger, offenherziger Geist, selbst seine besessene Suche nach dem psychotropischen Nirwana verriet gewiß einen Kern von leidenschaftlichem, wenn auch närrischem Mut, den ich kaum verleugnen konnte, ohne wie ein Schuft dazustehen.
    Doch was auch immer ich grübelte, das Karma wollte es, daß mir die Mittel des Feiglings fehlten, vom Schlachtfeld der Ehre zu fliehen; als ich schließlich dringend handeln mußte, hatte ich endlich auch die praktischen Mittel dazu.
    Während Guy unterwegs war und seinen solipsistischen Freuden nachging, mußte ich mich auf meine eigenen, in der Tat geringen Möglichkeiten beschränken. Ich streifte ziellos durch die öden Straßen oder, besser, ich suchte Zerstreuungen, die es dort nicht gab, nämlich eine Gesellschaft wie die der Gypsy Joker, einen geeigneten Platz, um eine Geschichte zu erzählen, oder wenigstens eine Möglichkeit, um als tantrische Künstlerin etwas zu verdienen.
    Leider hatte keins der Kinder des Glücks auf Ciudad Pallas Interesse an irgendeinem anderen Unternehmen als den Sanatorien und Labors; was ich an Leuten auf der Straße sah, bedrückte mich und zerstörte jeden Antrieb, mich auf die Straße zu stellen und eine Geschichte zu erzählen; ich hatte völlig die Energie verloren, mich Passanten als tantrische Künstlerin anzubieten, und erst recht nicht bei so abstoßenden Fremden wie diesen.
    Doch am zehnten Tag, aufgelöst in Langeweile und Selbstmitleid, schleppte ich mich niedergeschlagen und depressiv durch eine Straße mit den üblichen phantasielosen Geschäftsfassaden, als ich plötzlich ein Bild in mir sah, das mich aus dem Sumpf riß und meinen Geist auffliegen ließ.
    Denn dort auf den trostlos grauen Straßen von Ciudad Pallas entdeckte ich ein Fenster in eine andere, eindrucksvollere Realität: ein Holobild vom Bloomenveldt.
    Unter einem azurblauen, mit ziehenden Wolken durchsetzten Himmel erstreckte sich eine riesige Wiese bis zum Horizont, die sich im Wind sanft wellte. Es sah aus wie eine dichte, von oben gesehene Wolkenbank; weiche, wallende Hügel, doch nicht weiß oder stürmisch grau, sondern tief und strahlend grün.
    Denn was ich sah, war der Baldachin der Wipfel des Bloomenwalds, ein luftiges Netzwerk aus verflochtenen Ästen, aus denen ein zauberhaft stabiles Vlies aus gewaltigen Blättern sproß, so fest erscheinend, daß ich glaubte, ich könnte von der Straße treten und ins Wunderland davonlaufen; zugleich jedoch wogte und rollte es wie Gischt im Wind. Grün und doch nicht ganz grün, denn das gewellte Himmelsland war mit zahllosen Blumen in allen Formen und Farben durchsetzt, wie vielleicht nach einem Regentag eine Wüste zu unbändiger Blüte erwacht. Blumen, deren gewaltige Größe offensichtlich wurde durch einen Trupp braunpelziger Zweifüßer, die in großen, schwebenden Sprüngen zwischen den Blumen herumhüpften, vor denen sie aussahen wie Käfer.
    Ah, ich fühlte schon das »Land« unter den Füßen wogen, spürte die Sonne auf der Haut und den Wind im Haar, ich konnte fast die prächtigen Blumendüfte riechen, die der Wind in meine Nase trieb.
    Merde, wir waren wirklich nicht ganz gescheit, wenn wir auch nur einen Augenblick in dieser üblen Stadt blieben, während auf diesem Planeten ein solcher Zauberwald wuchs! Kein Wunder, daß die Bürger von Ciudad Pallas

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