Kind des Glücks
hätten wir nicht bald darauf eine weitere Übereinstimmung zwischen menschlicher Chemie und der der Blumen entdeckt, die offenbar ausschließlich die spirituellen Ebenen des menschlichen Geistes betraf.
Bewußt oder nicht, ob wir nun einfach unseren ursprünglichen Plan weiter verfolgten oder von der natürlichen Ordnung der Dinge tiefer ins Bloomenveldt gezogen wurden – jedenfalls trieben wir während der nächsten beiden Tage langsam nach Westen. Wir fanden dabei immer wieder kleine Gruppen von Menschen im Bann der Blumen, die uns bald genug als recht gewöhnlich vorkamen. Auch hier gab es entzückt bezauberte Paare unter den violetten Blumen der Leidenschaft.
Doch nun sahen wir zum erstenmal einzelne Menschen in psychotroper Kommunikation mit einer einzelnen Blume.
Die hochragenden Blütenblätter der entsprechenden Blumen waren stets blau, wenn auch der Ton etwas variierte, während der Stempel ein weiter, flacher Hügel mit faustgroßen, weißen, weichen Pollen war. Auf diesem Lager saß der menschliche Gast reglos mit bereitliegender Nahrung und betrachtete mit geweiteten Augen nicht die Wunder des Bloomenveldts, sondern einen völlig subjektiven Anblick in seinem Innern.
Die Männer und Frauen, die wir entdeckten, schienen im letzten Abschnitt ihres Lebens zu stehen, wenn das Haar schütter und grau wird, wenn die Haut zu Pergament vertrocknet und die Lebensenergie nicht mehr von der Kunst der Heiler entflammt werden kann.
Doch wenn auch ihre Körper erschreckende Vorboten der unausweichlichen Sterblichkeit zeigten, so hatten sich die Geister, die aus ihren ungetrübten Augen nach innen schauten – soweit sie wirklich die Spiegel der Seele sind, wie die Dichter behaupten –, zumindest in ihrem eigenen Empfinden in entzückter Transzendenz über die Grenzen des Zeitflusses erhoben.
Selbst so ungehobelte Libertinisten wie wir konnten nicht die Grobheit aufbringen, einen dieser lebenden Buddhas zu wecken und durch nachdrückliches Reden zu einem Gespräch zu bewegen; außerdem hätte ein solches Vorgehen ohnehin nichts genützt, denn sämtliche Einsiedler, die wir in den nächsten beiden Tagen trafen, bewegten nur die Hände, um sich ab und zu ein Pollenkorn in den Mund zu schieben, während sie ansonsten steinerne Tempelstatuen hätten sein können, denn sie zeigten keinerlei Bewußtsein über oder Interesse an der äußeren Welt.
Ob diese Buddhas vom Lotus angezogen worden waren, ob die Blumen auch gewöhnlichen Menschen die letzte Erleuchtung zu schenken vermochten oder ob diese lebenden Ikonen überhaupt die Geister beherbergten, die wir in ihnen vermuteten, konnten wir nicht sicher erkennen, denn soweit ich wußte, erzeugte völlige vegetative Unbewußtheit denselben äußeren Anschein wie die Transzendierung der Schleier der Maja. Und wirklich gab es einige Zyniker, die behaupteten, die geistigen Zustände seien in Wirklichkeit ein und derselbe.
»Es scheint, als gäbe es nur eine Möglichkeit zu entscheiden, ob diese Alten erleuchtete Wesen sind, deren Geister in prächtigen Reichen jenseits der flitterhaften Schleier der Maja schweben, oder ob ihre Geister erloschen sind und bloße leere Protoplasma-Hüllen hinterlassen haben«, bemerkte Guy am Abend des zweiten Tages zwischen den Babas des Bloomenveldts.
»Nämlich?«
»Nämlich selbst den Lotus zu inhalieren und herauszufinden, ob wir Bodhis oder Zombies werden…«
»Guy! Du meinst doch nicht, daß du so etwas wagen willst!«
»Ich hab’ natürlich nur Spaß gemacht«, sagte er, während er wenig überzeugend lachte und mich umarmte. »Trotzdem, wenn man wüßte, daß die Dinge sind, was sie scheinen, welchen Grund gäbe es dann, sich ewig mit geringerem Amüsement zufriedenzugeben, wo doch das allerhöchste durch einen bloßen Atemzug zu erlangen ist?«
»Das hier ist aber auch nicht schlecht!« erklärte ich gereizt, während ich den Fühler einschaltete und an seinem Lingam zog. Guys Stimmung war zwar nicht gerade geeignet, mich zu erotischer Leidenschaft hinzureißen, doch ich wußte kein anderes, unmittelbar wirksames Mittel, ihn von diesem gefährlichen Thema abzubringen.
Doch wie sich herausstellte, erreichten wir am Nachmittag des folgenden Tages einen Baba des Bloomenveldts, der sich endlich herabließ, mit uns zu reden.
Gebadet in einen Strahl goldenen Sonnenlichts, das durch einen Spalt im Blattwerk hinter ihm fiel, als wäre die ganze Szene mit schauspielerischem Geschick entworfen, lag ein großer Fächer von
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