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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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konnte man diese Drogen vermarkten, außer vielleicht als schwache Heilmittel gegen Appetitlosigkeit, sexuelle Langeweile, Schlaflosigkeit; oder, schlimmer, als Auslöser eines skrupellosen Sozialverhaltens.
    Am Nachmittag des dritten Tages jedoch stießen wir auf eine neue Blume, die uns schrecklich in Versuchung führte.
    Wir drangen mit kurzen, flachen Sprüngen weiter vor, umrundeten den Hügel eines Baumwipfels und standen vor einer überhängenden, glockenförmigen Blume, deren blasse, durchsichtig violette Blätter ein fast ultraviolettes Glühen über das weiche grüne Pollenbett darunter warfen. Und darauf kopulierten zwei Menschen Seite an Seite, in einem schläfrigen, stetigen Rhythmus.
    Doch es wäre ungerecht, auf dem Wort Kopulation zu bestehen, denn der hagere, in Lumpen gekleidete Mann und die ähnlich hagere Frau – in unseren Augen alles andere als appetitlich – schienen wie füreinander geschaffen. Bei ihrem verzückten Lächeln, ihren zärtlichen Blicken, dem Rhythmus, mit dem sie sich gegenseitig erfreuten, mußte man schon ausgesprochen böswillig sein, wenn man leugnen wollte, daß sie unter dem violetten Baldachin und unter dem pheromonischen Einfluß desselben im wahrsten Sinne des Wortes Liebe machten.
    Vraiment, Guy und ich hielten uns bei den Händen und sprachen flüsternd, während wir vor dieser irgendwie reizenden, um nicht zu sagen erregenden tantrischen Figur standen.
    »Wir können ein solches dyadisches Entzücken nicht stören…«
    »Wirklich, laß uns warten, bis sie ihren Höhepunkt erreicht haben…«
    Wie sich herausstellte, erwies sich diese Rücksicht als ebenso fruchtlos wie die frühere Höflichkeit überflüssig war, denn ihre passage d’amour ging endlos weiter, was heißen soll, daß der Rhythmus derselben geeignet schien, die tantrische Übung ewig fortzusetzen, während jeder Höhepunkt vermieden wurde.
    Schließlich gewann Guys wachsende Ungeduld gegenüber seiner Galanterie die Oberhand. »Das kann ja noch ewig dauern«, flüsterte er, während er ein leeres Reagenzglas aus seinem Rucksack zog. »Ich muß eine Probe von dieser Droge haben!«
    Trotz meiner geflüsterten Proteste stahl er sich mit dem Reagenzglas in der Hand an sie heran.
    Aber es war, als existierte er nicht! Ihre passage d’amour ging ungehindert und ungestört weiter, während er um die Blume herumkroch und die Essenzen sammelte; sie kümmerten sich nicht einmal um ihn, als er ganz aus seiner Deckung heraustrat. Wirklich, nicht einmal, als ich kühn zu Guy schritt und ihn am Ärmel fortzog, schien unsere Gegenwart einen merklichen Einfluß auf sie zu haben.
    Vraiment, auch nicht als wir in unserer Aufregung vergaßen, leise zu sprechen, nahm das vollkommene dyadische Bewußtsein der Liebenden auf der Blume unsere Existenz zur Kenntnis.
    »Wir müssen es genauso versuchen, du und ich, no«, rief Guy.
    »Ich würde auch gern eine solche Wonne kennenlernen«, stimmte ich aufgeregt zu. »Aber werden wir nicht verloren sein, wenn wir es tun?«
    »Für alles außer füreinander, vielleicht…«, sagte er verträumt.
    »Wir müssen uns das vorher überlegen, ehe wir nicht mehr überlegen können«, sage ich scharf. »Doch certainement scheint es mir, als hätten wir einen Hinweis auf das Blumenparadies gefunden, aus dem mit Recht Poesie und romantische Legenden entspringen…«
    Wir gingen allen anderen Forschungsobjekten aus dem Weg und entdeckten am Nachmittag und am Morgen noch drei weitere Liebesblumen; auf jeder fanden wir dyadische Gestalten, die auf ähnliche Weise in tantrischem Entzücken versunken waren; ein Entzücken, das nicht zu ermüden schien, denn wir hatten bisher noch keine solche Liebenden beim Essen, beim Ruhen oder irgendeiner anderen Tätigkeit außer endloser Liebe gesehen.
    Guy wurde immer erboster über meine Weigerung, zusammen mit ihm die Maske abzunehmen und solch übernatürliche Freuden zu teilen, während ich mich unter dem Vorwand sträubte, andere Liebende nicht mit roher Gewalt von ihrer Blume vertreiben zu wollen. In Wirklichkeit jedoch, während wie bei jeder normalen Frau mein Geist – vom Fleisch ganz zu schweigen – immer begieriger wurde, solche erotischen Ekstasen zu erfahren, schrillten in meinem Bewußtsein Warnglocken, denn wenn die Kraft der Pheromone dieser Blume der Leidenschaft so groß war, daß unter ihrem Bann die Liebenden Ernährung und Ruhe vergaßen, wie lange würde es dann dauern, bis die besessen Liebenden in verzückter Umarmung einfach

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