Kind des Glücks
keineswegs um Worte verlegen.
»Sieh dir das Bloomenveldt an, Sunshine!« rief er, nachdem wir uns ein angemessenes Stück entfernt hatten; ich gab soweit seiner Bitte nach, daß ich über das endlose, rollende Blattwerk und die Blumen hinwegstarrte. »Können deine Augen einen Teil vom anderen unterscheiden? Hör nur die Geräusche des Bloomenveldts! Kannst du etwas anderes als das Flüstern des Windes durch die Baumwipfel und das Schnattern der unsichtbaren Tiere hören?«
»Bien, deine zwingenden Ausführungen haben mich überzeugt, daß alles gleich aussieht und gleicht klingt…«, sagte ich sauer.
»Aber wir wissen doch, daß nicht alles gleich ist, oder? Ist das nicht offensichtlich?«
»Was ist offensichtlich?«
»Merde, daß du nicht deine Augen und Ohren benutzen kannst, um die inneren Geheimnisse des Bloomenveldts zu entdecken!« rief Guy, als spräche er mit einem Kleinkind. »Du mußt deine Nase benutzen, um dem zu folgen, das im Wind fliegt! Das siehst du doch gewiß ein?«
»Ich bin kein Idiot, Guy!« erwiderte ich gereizt. »Aber kannst du nicht verstehen, daß wir leicht die Orientierung verlieren, wenn wir in Versuchung geraten, die Masken abzulegen und einem Rattenfänger in Gestalt einer Blume folgen?«
»Aber du selbst hast doch gesagt, daß wir jederzeit die Küste finden können, wenn wir in Richtung Sonnenaufgang gehen«, sagte Guy verschlagen. »Es besteht kaum Gefahr, wenn wir uns an die Abmachung halten, die wir vor unserer Reise getroffen haben. Einer von uns ist der Psychonaut, der andere die Bodenkontrolle. Erinnere dich doch! Es war deine Idee, oder?«
»Meine Idee? Ich hatte nie vor, ohne Maske zu reisen, ich wollte nur sicherstellen, daß einer von uns vernünftig bleibt, wenn wir gelegentlich haltmachen, um das Parfüm einer Blume zu probieren!«
Guy starrte mich zornig an.
»Was schlägst du dann vor? Sollen wir unsere Suche aufgeben, wo wir doch endlich den Duft unserer Beute gewittert haben?«
Ich erwiderte seinen Blick nicht weniger gereizt, doch als es darum ging, eine schlüssige Antwort zu formulieren, ließ mich mein Mutterwitz im Stich.
»Bedeutet das Schweigen der Sphinx Zustimmung?« drängte er sarkastisch. »Vraiment, ich nehme dein Schweigen als Zustimmung, ob es das nun ist oder nicht!« Mit diesen Worten riß er, bevor ich protestieren konnte, die Gasmaske ab, tat einen tiefen Atemzug und betrachtete mich triumphierend. »Voilà, der unerschrockene Psychonaut!« erklärte er. »Komm, Sunshine, nach deinen eigenen Worten kannst du doch nicht zulassen, daß ich ohne Bodenkontrolle weiterfliege?«
Und damit sprang er nach Westen davon; ich konnte nichts tun außer ihm folgen, während ich leise, ohnmächtige Verwünschungen murmelte.
Den Rest des Nachmittags hielt Guy kaum einmal inne, so daß ich ihm nicht die Leviten lesen konnte, sondern er führte uns in einem winkligen Zickzackkurs in westliche Richtung, soll heißen, in die Richtung, in die uns die Logik zuerst geführt hatte, bevor er dem Kleinhirn erlaubte, zu folgen, wohin die Nase es führen mochte. Und während ich seine Fähigkeiten als Spurensucher alles andere als überwältigend und seine männliche Engstirnigkeit ausgesprochen dumm fand, mußte ich schließlich doch zugeben, daß ich kein offensichtliches Zeichen von Gefahr erkennen konnte.
Guy schwebte auf einem Blatt nieder und stieß sich sofort wieder ab, anscheinend ohne jeden bewußten Gedanken, wenn sich auch unsere Zielrichtung nach und nach änderte. Auf diese Weise, mit Guy als Vorhut, drangen wir weiter nach Westen vor wie ein Segelboot, das vor unfühlbaren Brisen kreuzt.
Als sich der Nachmittag dahinschleppte, wich mein Zorn, und meine Neugier drängte in den Vordergrund. Welchem seltsamen Duft mein dummer Psychonaut wohl folgte? Welche Visionen wehte der pheromonische Wind in sein Gehirn? Oder folgten wir diesem Weg, ohne daß es einen bestimmten Grund gab?
Vraiment, um ehrlich zu sein, als sich die Nacht senkte und die Klugheit sogar Guy überzeugte, ein Blatt außerhalb jeder Einflußsphäre einer Blume zu suchen, hatte meine Neugier einen gewissen neidischen Zug bekommen, denn wenn ich auch nicht dumm war, hatte ich mich immerhin bereitwillig zu einer mystischen Libertinistin erklärt. Was heißen solle, daß ich noch nie bereit gewesen war, im Entzücken tantrischer Zuckungen kurz vor dem Orgasmus aufzuhören; selbst in Nouvelle Orlean hatte ich auch dem wagemutigsten Liebhaber nicht zugestanden, damit zu prahlen,
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