Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
sich der allgemeine Eindruck der Vollkommenheit bei der Betrachtung einiger Details auf und ließ Andeutungen der unsichtbaren Schlange im Hintergrund erkennen.
    Dutzende verschiedener Blumenarten boten eine verwirrende Vielfalt von Früchten, Pollen und Nektaren an; nicht als einzelne Sträuße, sondern in ganzen Hainen, die vor gierigen Bloomenkindern wimmelten; letztere stopften sich die Früchte in die Münder wie ein Vogelschwarm, der über einen Obstgarten herfällt.
    Ganze Bezirke von Blumen waren dem Schlummer vorbehalten. Große Schulen nackter Bloomenkinder lagen auf den Flächen, die ihnen die samtigen Blütenblätter boten, träumten im hellen, klaren Tageslicht von ich weiß nicht was und sahen aus wie die erschöpften, stillen Nachwehen einer gewaltigen Orgie der letzten Nacht.
    Und dann veränderte Guy seinen Kurs und führte uns zum Kindergarten.
    Hier hingen Trauben von Menschenkindern an den Blumenzitzen einer großen Gruppe von regenbogenfarbenen Bovisten wie Beeren am Strauch, während andere in ihrem Blätterstall herumkrochen. Um sie herum stand ein Ring schweigender weiblicher Bloomenkinder, die sich nur bewegten, wenn es unbedingt nötig war, um die Kinder daran zu hindern, sich selbständig zu machen.
    Und in der Nähe, am Rand des Hains, lag ein einsames Bloomenkind auf dem Rücken und gebar ein Kind.
    Sie schien in einen halbbewußten Traumzustand versunken, während ihre Körpermechanismen dennoch in einer vollkommenen Weise funktionierten, die jeden Heiler stolz gemacht hätte. Ihr Atem ging tief und regelmäßig im passenden Rhythmus, und jeder Muskel war perfekt darauf eingestimmt, die Wirkung ihrer Wehen zu verstärken. Als das Kind nach kurzen und völlig geräuschlosen Wehen erschien, stimmte die Mutter seinen Atem auf ihren eigenen ein, biß die Nabelschnur dicht über dem Bauch ab, leckte das Baby sorgfältig ab und hielt seinen winzigen Mund vor den nächsten freien Blumennippel. Dann begann sie die Nachgeburt zu verschlingen, was mich endlich zwang, die Augen abzuwenden.
    Nun sah ich wirklich die Schlange, die im Garten lauerte, der Preis, den man zahlen mußte, wenn man ihren süßen Versprechungen von symbiotischer Vollkommenheit glaubte.
    Denn wenn dies das Paradies war, das die Blumen für die Menschen geschaffen hatten, dann war es von der gleichgültigen, gefühllosen Hand des Bloomenveldts geschaffen und nicht im Geiste warmblütiger Säuger, was heißen soll, daß es eine Vision der Blumen von jenem vollkommenen Bestäuber war, der sich anderswo Mensch nannte.
    Nicht einmal die Liebe einer Mutter für ihr Neugeborenes durfte diese Blumenvision vom Paradies verschandeln, denn vom Standpunkt der Blumen aus war naturellement die höchste Form einer Befruchtergesellschaft nicht eine vollkommene Gemeinschaft von bewußten, erleuchteten menschlichen Herzen, sondern die pheromonisch gesteuerte Perfektion eines menschlichen Bienenstocks.
    »Merde, Guy, wir müssen hier sofort weg!« rief ich, und abermals verletzte mich die Illusion, ich hätte das erreicht, was vom ihm übriggeblieben war – ohne Zögern holte er tief Luft, lächelte mich verzückt an und marschierte energiegeladen in einer neuen Richtung davon.
    Doch statt sich dem nächsten Ausgang aus dieser ekelhaften Umgebung zuzuwenden, ging er schnurstracks zu einem weiten Garten mit hohen blauen Blumen, wo ganze Versammlungen von Bloomenkindern saßen, jedes bei einer eigenen Blume, wie ein großer Schwarm von Buddhas in einem Wald voller Bo-Bäume. Da saßen sie wie Götzen, starrten gebannt in die himmlische Leere und sangen das überwältigende Mantra, das sowohl die in menschlichen Stimmen inkarnierte Stimme des Bloomenveldts war als auch der Lobgesang der Bloomenkinder auf den vollkommenen, bewußtlosen Geist desselben.
    Certainement war dieses Lied, das zu dem Protoplasma sprach, aus dem sich meine Psyche erhob, die schrecklichste Nachäffung der Blumen, denn dieses erhabene Mantra des menschlichen Geistes enthüllte sich jetzt mehr oder weniger als der Chor der Gene, nicht mehr als das bewußtlose Summen einer menschlichen Bienenart.
    Guy Vlad Boca ließ meine Hand los, er wurde von dem Chor der Bloomenkinder angezogen, setzte sich anmutig im Lotussitz unter die nächste freie Blume und starrte ins blaue Nichts des Himmels über dem Bloomenveldt, während seine einsame, kostbare Einzigartigkeit mit der nirvanischen Stimme des Einen verschmolz.
    Damals konnte ich mir nichts Schrecklicheres vorstellen als dies; ich

Weitere Kostenlose Bücher