Kind des Glücks
dem fernen Summen des Mantras im Duftgarten schwang, bestand darauf, daß es hier für uns nichts zu fürchten gab, daß wir nur heimkehrten.
»Komm… komm… komm heim…«, sang Guy, als hätte er oder ein Geist des Waldes oder, vraiment, als hätten beide meine Gedanken gelesen – oder gar so, als wären seine Gedanken und meine und die Stimme dieses Geistes Töne desselben mantrischen Akkords.
Und dann, ohne weiteres rationales Nachdenken, sprang ich Hand in Hand mit Guy in großen Sätzen zum Duftgarten wie Staubkörnchen, die in einem gewaltigen Balken goldenen Lichts aufsteigen, um die Sonne zu grüßen.
Wir hielten erst inne, als wir wie winzige Insekten am Fuß dieser gewaltigen Blumenmetropole standen.
Haine und Hecken aus strahlend bunten Blumen erhoben sich auf dem sanften Hang der Baumkrone vor mir, um die Welt zu erfüllen. Und ich sah viele von meiner Art, die dazwischen summten und tanzten wie ein aufgeregter Bienenschwarm mitten im Sommer an einer unerschöpflichen Nektarquelle.
Eine große Vielfalt von Bloomenkindern, eine goldene Bürgerschaft nackter und physisch anmutiger Menschen, belebte die Straßen und Haine der Blumenstadt mit ihrer komplizierten und äußerst anmutigen Pavane. Sie speisten bei großen Blumenbanketten, schlummerten in öffentlichen Parks, gingen seltsamen Geschäften nach, die wir aus dieser Entfernung nicht ergründen konnten, schlenderten in Strömen durch die Straßen zwischen den Blumen wie müßige Spaziergänger, und alle mit einer choreographischen Vollkommenheit von Bewegung und Timing, die jeden maestro des Tanzes mit Stolz erfüllt hätte.
Doch während die Ähnlichkeit mit dem Summen und Huschen von Bienen durch die Art widerlegt wurde, wie die Bloomenkinder aus jeder Bewegung eine Kunst machten, mit einem Stil und einer Anmut, die unserer Art angemessen ist, kam die Metapher, wenn es um das kollektive Mantra eines Bienenstocks ging, der sinnlichen und spirituellen Realität erheblich näher.
Denn das mächtige, wortlose menschliche Lied, das die Welt erfüllte wie das Summen einer Million Bienen, war tatsächlich ein kollektiver mantrischer Chor, der in der spirituellen und genetischen Wellenlänge unserer Art vibrierte. Vielleicht war dieser seelenrührende Klang menschlicher Freude für ein Bienenohr ein bloßes monotones Dröhnen, genau wie wir im Summen der Bienen nichts weiter hören als von Insekten erzeugte Statik. Doch genau wie die summenden Bienen das Lied ihres eigenen Geistes in den Stimmen ihrer Gefährten hören müssen, so zog dieses mächtige Mantra des kollektiven menschlichen Geistes ein Einzelwesen wie mich zur Vereinigung mit dem Chor des Ganzen.
Tatsächlich begann ich irgendwo in den Tiefen meiner Kehle leise das Mantra zu summen, und es schien, als vibrierten sogar meine Knochen in der Melodie. Ich bemerkte, daß Guy ebenfalls sang, den Mund zu einem strahlenden Lächeln weit geöffnet, und der Ton strömte als gewaltiger Klang durch ihn – eben jener Ton, der in der Stimme geschwungen war, die am vergangenen Tag durch ihn gesprochen hatte und die jetzt zu meiner Seele zu sprechen schien.
»Ah… ah… ah… om… ah… ah… ah… heim…«
Ich wandte mich verzückt lächelnd an Guy. Langsam drehte er das Gesicht zu mir herum, bis ich darin meine eigene Freude gespiegelt sehen konnte. Ich drückte seine Hand. »Oh Guy«, sagte ich leise. »Ich wußte gar nicht…«
Guy schien mir lange in die Augen zu blicken, und es schien, als betrachteten mich mehrere Geister aus den bodenlosen Tiefen in ihm. Das fröhliche Kind des Glücks, dessen Schlagfertigkeit mich auf den Straßen des großen Edoku gewonnen hatte, der Handelsprinz, der mich großmütig aus meiner Armut gerettet hatte, der tiefere und dunklere Guy, der unter Drogeneinfluß auf der Unicorn Garden erwacht war, der angehende Ladersüchtige, der besessene und unerschrockene Psychonaut des Bloomenveldts, das Wesen, das mich letzte Nacht im Wald geliebt hatte, sie alle waren hinter seinen Augen, sie alle waren miteinander im Frieden, und in diesem Augenblick fand ich in meinem Herzen vraiment die Kraft, sie alle zu lieben.
Und so betraten Hand in Hand, die beiden Herzen wie eines schlagend, zwei Geister, die dasselbe prächtige Mantra summten, zwei nicht mehr verlorene Menschenkinder unseren Duftgarten.
Wir wanderten benommen durch die Pfade zwischen den großen Blumen, durch ein lebendiges Kaleidoskop aus strahlenden Farben und schmerzend lieblichen
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