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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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erklärt, und vraiment, wo war ich jetzt, wenn nicht in die Baumwipfel der Vorzeit zurückgeworfen, aus denen vor langer Zeit unsere Rasse ihren kühnen Marsch zum Wissen und zu den Sternen antrat?
    Und was war die Zauberstraße, auf der ich jetzt reisen wollte, wenn nicht die Wiederholung der Phylogenese unserer Art in Form meiner eigenen Ontogenese? Vraiment, wie die älteste Geschichte unserer Art sagt: Am Anfang war das Wort – die Geschichte, die wir uns selbst erzählten, als wir uns von Affen in Menschen verwandelten, die Geschichte, die der Flötenspieler heute noch erzählte.
    Zerlumpt, verschmiert und verdreckt vom Saft und dem Mark der Früchte des Vergessens und dem Schweiß und den Flecken buchstäblich unaussprechlicher Akte, lag das Vielfarbige Tuch immer noch um meine Hüfte und schien als Banner zu verkörpern, was ich gewesen war und was wieder zu werden ich mich jetzt bemühen mußte – Sunshine Shasta Leonardo, Kind des Glücks, Gypsy Joker, Geschichtenerzählerin.
    Denn war es nicht das Wort, das ganz am Anfang unsere Menschlichkeit geschaffen hatte? Konnte es mich deshalb nicht aus dem Wald des Unbewußtseins auf die Zauberstraße zurückbringen, die heim in die Welten der bewußten Menschen führte? Hier draußen auf dem Bloomenveldt gab es vielleicht außer mir selbst niemand, der meine Geschichten hören wollte, doch es gab etwas viel Kostbareres als Ruegelt zu gewinnen oder zu verlieren.
    Und so nahm ich dort in den Baumwipfeln meinen Mut zusammen, wie ich es damals im großen Edoku auf dem Luzplatz getan hatte, und warf meine Stimme in die Dunkelheit, in die Einsamkeit, in etwas viel Gefühlloseres und Gleichgültigeres als jedes Publikum aus Edojin, und begann ums Überleben meiner Seele zu erzählen.
    »Der Funke der Arkies!« sprach ich zu mir selbst und begann eine sehr bizarre Version von Lance Della Imres Lieblingsgeschichte, in der meine getrübte Erinnerung und meine augenblicklichen Sorgen vereint und als mein eigenes Lied neu geschrieben wurden.
    »Sagt nicht, daß die Arkies des Ersten Raumfahrenden Zeitalters willfährig ihren Geist den Blumen überließen – damals, als eine Lebensart, die existiert hatte, seit das erste Kind des Glücks von den Bäumen herabzusteigen wagte, im Bloomenveldt verloren ging! Denn der Funke der Arkies, der uns auf der Zauberstraße aus dem Wald des Unbewußtseins führte, als wir Lohnsklaven des Pentagon waren, ist heute noch bei uns im Arkie-Funken der Erzählerin dieser Geschichte…«
    Vielleicht nicht sehr kunstvoll und certainement nicht sehr zusammenhängend, brach es in prächtigem Irrsinn aus mir heraus, denn nach Äonen von nichts außer der mantrischen Litanei freute ich mich über den Klang einer bewußten menschlichen Stimme, die die Geschichte meiner eigenen Seele erzählte. Noch nie hatte ein Geschichtenerzähler ein weniger kritisches oder dankbareres Publikum als ich in mir selbst!
    Und weder begann sich das Publikum zu langweilen noch ermüdete die Erzählerin, bis die nächtlichen Düfte des Bloomenveldts den Vorhang des Schlafes über die Vorstellung zogen.
     
    Am Morgen erhob ich mich immer noch erzählend, rezitierte mir selbst Mischungen aus allen Geschichten, die ich kannte, und verwandelte sie in mein einzigartiges Lied der Zauberstraße.
    »Folge der Sonne, folge dem Gelb, folge dem Flötenspieler der Zauberstraße, der geboren wurde, als ich das erste Mal von den Blumen unserer Vorfahren herunterkletterte, und der uns von jenem Tag bis heute auf unserer Mardi-Gras-Parade von Blatt zu Blatt führte – in die Dämmerung des Zweiten Raumfahrenden Zeitalters hinein durch all die langen Jahrhunderte zwischen hier und der Küste…«
    In dieser Weise plappernd, tat ich den ersten zögernden Schritt auf der Zauberstraße nach Osten und dann noch einen und noch einen und folgte dem Befehl meiner eigenen Erzählung.
    Zweifellos hätte mich jeder Heiler, der diese Phase meiner Reise beobachtet hätte, für verrückt erklärt, denn ich kann nicht leugnen, daß das, was er gesehen hätte, ein hageres, ausgehungertes Wesen war, das deutliche Symptome von Wahnsinn zeigte.
    Denn Stunde um Stunde, Tag um Tag, je länger ich wanderte, je ausgehungerter ich wurde und je mehr ich meine Ohren mit den Stücken und Brocken halb erinnerter Geschichten füllte, desto mehr verwandelten sich die Teile in ein unendlich kompliziertes Mantra der einen, der einzigen Geschichte, die es in diesem Augenblick zu erzählen gab.
    Wenn eine Psychose, wie

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