Kind des Glücks
der Bloomenkinder in die Menschenwelten zurückgekehrt.«
So hatte ein verschrecktes und einsames Mädchen zu ihrem eigenen Herzen gesprochen, als sie im tiefsten Herzen des Landes der Bloomenkinder ohne Gasmaske und ohne Essen erwachte. Und das Mädchen hatte einen Eid geschworen, diesen geistigen Untergang zu überwinden oder beim Versuch zu sterben.
Ich betrachtete den Bodhi des Waldes, der seinen Blick inzwischen wieder völlig auf die gestaltlose, selbstgewählte Leere seines Innern richtete, und ich betrachtete Goldrute, Rollo, Platte und Moussa, meine vier halbbewußten Wesen, die die ganze Zeit geduldig dabeigestanden hatten, mesmerisiert vom Klang des menschlichen Gesprächs, während sie hoffnungslos gegen eben jene Leere kämpften, die er in sich suchte. Irgendwie schien es mir, daß ihre armen kleinen Geister in einer seltsamen Traumzeit des menschlichen Herzens menschlicher waren als er.
Und es war Sunshine Shasta Leonardo, die den Eid geschworen hatte und die jetzt ihre Schutzbefohlenen zärtlich betrachtete und sich an sie wandte und nicht an die reglose Ikone spiritueller Vollkommenheit, und sie tat es mit eben den Worten, mit denen die Geschichte der Flötenspielerin des Bloomenveldts begonnen hatte und die jetzt als wundervolle Zusammenfassung der Reise dienten.
»Niemand«, sagte ich, »ist je aus dem Land der Bloomenkinder in die Menschenwelten zurückgekehrt. Bis jetzt.«
Nach dieser Konfrontation mit dem Bodhi des Waldes stapfte ich nicht mehr ungeduldig vor meinen verlorenen Waldkindern her, sondern ging unter ihnen, richtete meine Erzählung eher an das Publikum als an mich selbst. Und während noch nichts meine Lippen verlassen wollte, das nicht aus Bruchstücken der einzigen Geschichte, die ich zu erzählen wußte, zusammengestoppelt war, wurde mir die Tatsache immer bewußter, daß ich die Kunst der Geschichtenerzähler ausübte, wenn auch für eine viel wichtigere Gegenleistung als Ruegelt. Und als einer meiner Schutzbefohlenen abzuschweifen drohte, scheuchte ich ihn so barsch und nachdrücklich wie nötig zurück, mit einem Tonfall und Gebärden, die man bei einem aufsässigen Kind benutzen würde, das die Strophen des menschlichen Liedes noch nicht gelernt hat.
So gingen wir weiter nach Osten zu den Menschenwelten, und so säte ich, ohne es zu wissen, überall in diesem lange brachliegenden Boden die Saat des Wortes.
Der Boden jedoch hatte eine karminrote Blume wachsen lassen, an der wir in Gesellschaft zweier fast unrettbar schläfriger Menschen aßen; die beiden hatten sich mit dem seltsam fleischähnlichen Mark der süßen blauen Früchte ansehnliche Bäuche angefressen.
Rollo hatte hier anscheinend eine Blume gefunden, deren Früchte zufällig Moleküle enthielten, die nahe an das Ideal seines Stoffwechsels herankamen. Mit ekelhafter, widerlicher Gier riß er Brocken aus dem zähen, harten Fruchtmark und verschlang sie, und als die Zeit zum Weiterziehen kam, war er gegenüber meinen Aufforderungen völlig taub.
»Steh auf, Rollo, und folge dem Gelb, denn die Sonne ruft dich von den Bäumen deiner Ahnen herunter, damit du der Zauberstraße folgst!« rief ich ihm schließlich ins Gesicht, und als er auch dies ignorierte, schüttelte ich ihn an den Schultern und drehte mit Gewalt sein Gesicht in die Sonne.
»Folge der Sonne, folge dem Gelb, folge der Sonne, folge dem Gelb…«, sang ich immer und immer wieder, denn dies war die einfachste Version der Geschichte, das synergetische Mantra, das mich aus genau diesem Zustand, vraiment, sogar aus einem schlimmeren, gerettet hatte.
Ich sang immer weiter, deutete mit einer Hand zur Sonne und hielt mit der anderen sein Gesicht darauf gerichtet. Dann bemerkte ich plötzlich eine bizarre Veränderung meiner Stimme, denn bei gewissen Silben schien der einsame Ton meiner Stimmbänder von einem harmonischen Akkord von einem anderen Instrument begleitet zu werden.
Einige Augenblicke später dämmerte es mir, daß dies mehr oder weniger auch der Fall war.
Während meine Bemühungen, Rollos Aufmerksamkeit auf unser Lied der Straße und die darüber aufgehende Sonne zu lenken, bisher wenig bewirkt hatten, hatten Platte und Goldrute der Stammessitte folgend den Blick auf sie gerichtet, sobald sie die ersten Worte des Reisemantras hörten.
Ebenso Moussa.
Doch, oh, Moussa, Moussa meine Namensvetterin, sie hatte abgehackt, atonal, vor Anstrengung blinzelnd, zu singen begonnen.
»Gelb… folge… gelb… folge…«
Vielleicht die Sprache
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