Kind des Glücks
gebraucht, um den letzten Triumph der Kunst des Geschichtenerzählers zu erringen, nämlich unser eigenes, prächtiges, bewußtes Selbst«, stimmte ich bereitwillig zu.
Er riß die Augen auf, konzentrierte sich irgendwie menschlicher auf uns, während er sich innerlich distanzierte – als wäre ich für ihn ein Wesen aus der Traumzeit. »Wie tief warst du im Innern des Waldes, Bloomenkind?« fragte er erwartungsvoll, als rechnete er mit einer lange erhofften Antwort. »Du sprichst wie eine, die die Blume ihrer Vollkommenheit gefunden hat.«
»Ich spreche als eine, die ein vollkommenes Bloomenkind des Duftgartens war, ehe es jemand gab, der die Geschichte erzählen konnte«, erklärte ich etwas gereizt, denn diese Dummheit reichte völlig aus, um einen gewissen Zorn zu entfachen, und der Zorn erhob mein Bewußtsein auf eine noch kompliziertere Ebene. »Du sprichst wie einer, der einen Duftgarten zur Vervollkommnung seines Geistes sucht.«
Darauf kam ein eindeutig kriecherischer Ausdruck in sein Gesicht, der mir den Gaumen verklebte wie Melasse. »Kann es denn sein, daß meine Übungen endlich doch noch belohnt werden?« sagte er atemlos. »Bist du nicht eine Vision, die die Vorsehung mir gesandt hat? Sollst du nicht meine Führerin zum Duftgarten sein?«
»Folge der Sonne, folge dem Gelb, folgte der Geschichte des Flötenspielers vom Bloomenveldt, nach der wir in all den langen, langsamen Jahrhunderten von den Bäumen marschiert sind«, erklärte ich ihm, während ich mich mühte, den Strom meines Wortschwalls zu einem präziseren verbalen Instrument zu schmieden. »Folge nicht den Blumen des Bloomenveldts in die trüben Nebel, die waren, bevor der Sänger zu seinem Lied wurde. Versuche nicht, in deinem Duftgarten ein vollkommenes Bloomenkind zu werden, sondern folge der Zauberstraße.«
»Hast du wirklich den Duftgarten gesehen?« drängte der Bodhi, als wäre es mir überhaupt nicht gelungen, ihm den flüchtigen Geist meiner Worte zu vermitteln, oder als hätte sich sein Geist einfach geweigert, mich zu hören.
»Vraiment, einst war ich ein Bloomenkind im Duftgarten, im Eden unserer Vorfahren – bevor ich das Lied des Flötenspielers hörte«, sagte ich, denn dies schien das einzige zu sein, das zu hören er bereit war.
Er starrte mich verwundert an. »Und wie ein Bodhisattwa hast du dich dann entschlossen, in die Menschenwelten zurückzukehren?« rief er. »Erleuchte mich, du Geist des Waldes, zeig mir den Weg zu deinem Duftgarten der Vollkommenheit.«
Mein bereits erwähnter Zorn war während des letzten Teils unseres Gesprächs weiter gestiegen, und während die logische Begründung dafür damals über mein Verständnis ging – die innere psychische Dynamik sollte sich erst später im Clear Light Sanatorium erhellen –, schien es mir in diesem Augenblick, daß ich abermals den Geist von Guy Vlad Boca aufstacheln mußte, genau wie damals, als er die böse Krone des Laders im Hotel Pallas getragen hatte, während er in genau diesem Lotussitz unter seiner Blume lächelte und genau dasselbe schale, verzückte Lächeln auf den Lippen hatte.
»Im Duftgarten gibt es niemand, der die Geschichte erzählen könnte, und dort spielt der Flötenspieler nie sein Lied«, erklärte ich ihm, während sich meine Augen vor Zorn trübten oder vor Traurigkeit, vielleicht auch vor beidem. »Schließe dich der Mardi-Gras-Parade an und folge der einzigen Geschichte, die es zu erzählen gibt; folge ihr ins Lager der Gypsy Joker im Goldberg, denn wahre Kinder des Glücks haben keinen Aufsichtsratsvorsitzenden und keinen Duftgarten mit Blumen der Vollkommenheit.«
»Du warst im Duftgarten und bist aus eigenem freiem Willen in die Menschenwelten zurückgekehrt?« sagte der Bodhi ungläubig. »Du bist dieser Flötenspieler der Zauberstraße? Du bist die Flötenspielerin des Bloomenveldts, und diese Bloomenkinder des Waldes folgen dem Lied deiner Stimme?«
»Ich bin eine einfache Geschichtenerzählerin in den Straßen des großen Edoku«, erklärte ich. »Ich bin jeder, der die Geschichte erzählt.«
Der Bodhi des Waldes begann sich darauf weiter in seine Tiefen zurückzuziehen, als müßte er vor einem Zuviel von unwillkommenem Satori weichen, oder vielleicht auch, um demselben von vornherein zu entgehen. »Vielleicht bist du die Schwester des Prinzen der Lügen, Geschichtenerzählerin, denn du kannst nicht die Wahrheit sprechen«, sagte er, während er anscheinend den Blick nach innen zwang. »Niemand ist bisher aus dem Land
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