Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
abbringen läßt – auf Edoku wenigstens außer Klugheit und Schweiß noch ein weiteres Hilfsmittel zum Überleben haben sollst«, sagte er.
    Ich blickte von ihm zum Ring an meinem Finger, dann zu meiner Mutter und dachte, sie wären beide verrückt geworden. »Dieser Ring bringt mir vielleicht in einer billigen Taverne ein Glas Wein und ein Stück Brot ein…«
    Leonardo lachte. »Ich habe die Fassung so gestaltet, daß genau dieser Eindruck entsteht, um Diebe abzuschrecken«, erklärte er mir. »In Wirklichkeit ist dies das neueste und vielleicht sogar wirkungsvollste Produkt meiner Kunst, das außerdem unter Mithilfe der Wissenschaft deiner Mutter entwickelt wurde…«
    Der Fühler, wie er ihn nannte, war eigens für mich erfunden worden und würde erst für sein Geschäft dupliziert werden, wenn ich meine Erlaubnis gab. Im Stein war eine Energiepille, und der Ring selbst enthielt Schaltkreise, die nach einem Daumendruck Impulse direkt in mein Nervensystem schickten, was meine Kundalini-Energie so weit verstärken sollte, daß ich Chakras und Nervenzentren manipulieren konnte; diese Energien sollten durch die Finger meiner rechten Hand gelenkt werden.
    Als ich gestand, immer noch nicht zu verstehen, wie mir dieser Ring beim alltäglichen Überleben helfen könne, legte Shasta das Ding selbst an, aktivierte es mit dem Daumen und berührte schelmisch lächelnd mit der Fingerspitze ganz leicht meine rechte Brustwarze, die durch meine Bluse zu sehen war.
    Sofort fuhr ein derartiger Blitz des Kundalini-Feuers durch meine Brust und geradewegs hinunter in meine Lenden, daß ich knallrot wurde und vor Scham fast umkam. Shasta legte erbarmungslos einen Finger auf das Chakra an der Wurzel meiner Wirbelsäule, direkt über den Beckenschalen, und die orgasmische Explosion warf mich fast von den Beinen.
    Shasta lachte schallend und ließ den Ring in meine zitternde Hand gleiten. »Natürlich wird der Effekt auf ein Lingam recht dramatisch sein, doch du kannst feinere Wirkungen erzielen, wenn du auf der Wirbelsäule spielst, als wäre sie eine Flöte«, sagte sie. »Zumindest wird dir der Fühler im Notfall die Möglichkeit geben, als tantrische Künstlerin mit übernatürlichen Kräften zu arbeiten, wenn auch nicht als wirkliche Künstlerin, denn diese Fähigkeiten lernt man nur nach langen Studien. Außerdem kann der Fühler in Verbindung mit ernsthaften Studien des inneren Reiches, für das du bisher leider wenig Interesse gezeigt hast, die heilerischen Aspekte der tantrischen Wissenschaften verstärken.«
    »Und schließlich«, sagte Leonardo, »gibt es auch einen umgekehrten Effekt, doch die Klugheit gebietet, ihn nicht zu benutzen, wenn es nicht unbedingt nötig ist – das Gegenteil der Freude ist ein gleichermaßen einzigartiger, lähmender Schmerz.« Aus einem zweiten Kästchen zog er eine einfache Schemazeichnung des menschlichen Körpers – die Sorte, die man den Studenten der Kriegskünste gibt und auf denen das Nervensystem eingezeichnet ist. Die Nervenzentren waren rot markiert.
    »Eine einfache Berührung an jedem der bekannten Zentren wird auch den mächtigsten Angreifer völlig hilflos machen«, sagte er, »ob er nun in den Kriegskünsten ausgebildet ist oder nicht.«
    So wurde ich am Vorabend meines Wanderjahrs nicht mit finanzieller Großzügigkeit, sondern wenigstens mit einem Unterpfand bedacht, das eine höchst wirkungsvolle Vereinigung von Yin und Yang darstellte, eine Vereinigung zwischen den Künsten meiner Eltern.
     
    Am nächsten Tag saß ich schließlich, nachdem ich meinen Eltern und Freunden Lebewohl gesagt hatte, mit einem Rucksack, zwei bescheidenen Kreditchips und einem Ring am Finger in der Fähre, die zum Rendezvous mit dem Sprungschiff in den Orbit stieg – das Sprungschiff, das mich von allem forttragen würde, das ich kannte und gewesen war; der erste Teil der Reise zu dem, was die Erzählerin dieser Geschichte geworden ist.
    Jenseits des Flughafens und unter der Fähre schrumpfte Nouvelle Orlean rasch zu einem Gewirr winziger Gebäude an der Mündung des mächtigen Rio Royale, und ebenso schnell wurde der Fluß eine gewundene blaue Ader, die sich durch das Zentrum des buntscheckigen, grünbraunen Großen Tals schlängelte, und dann war das Große Tal selbst nur noch ein Anhängsel des Großen Massivs, das wiederum zu einem Haufen brauner Felsen geschrumpft am Fuß einer glänzenden weißen Eisfläche lag. Doch selbst deren Großartigkeit verlor sich, als der Horizont sich krümmte und

Weitere Kostenlose Bücher