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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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das ist mein erster…«
    »Ah«, seufzte er, und in diesem Augenblick schien hinter der Maske ein menschlicher Funke aufzublitzen. »Keine Angst«, sagte er freundlicher. »Dir kann nichts passieren. Ich hab’ noch nie einen Passagier verloren. Du schläfst, dann wachst du auf, c’est tout, und das hast du ja in jeder Nacht in deinem Leben gemacht, nicht wahr? Hinauf, hinauf, meine Kleine! Gleich werden sich deine Ängste im Schlaf auflösen.«
    Mich schauderte. Ich lächelte unsicher, holte tief Luft und sang im Geiste ein stilles Mantra, um meine Angst zu zügeln. Dann stieg ich Stufe um Stufe die Leiter hinauf, während jeder Schritt bedeutsam schien wie das feierliche Schlagen der Totenglocke, während jede Metallstrebe einen Ton zu einer ermutigenden Symphonie beitrug, die nur ich hören konnte, und schob mich in den Verschlag, als legte ich mich in mein eigenes Grab.
    Ich lag auf einer gepolsterten Unterlage mit einem Helm in der Form eines Spinnennetzes hinter dem Kopf. »Schlaf gut«, rief aus scheinbar großer Entfernung eine Stimme herauf.
    Dann glitt die Tür mit einem fast unhörbaren Surren zu; ich war allein mit der klaustrophobischen Angst, die einen stillen Schreckensschrei in meinem Hals aufsteigen ließ, den ich jedoch mit einer letzten heroischen Willensanstrengung herunterschluckte.
    Irgendwo summten verborgene Maschinen, dann kam eine kalte, metallische Liebkosung über meinen Kopf, als hätte mir der Tod seine eisige Hand auf den Schädel gelegt, und dann –

 
   4
     
     
    – erwachte ich.
    Das war so etwa das Ausmaß der subjektiven Erfahrung meiner ersten Reise von Welt zu Welt: Ich verlor in einer versiegelten Kabine völlig verängstigt das Bewußtsein und erwachte aus einem traumlosen Schlaf mit einem starken Gefühl der Erleichterung, denn das erste, was meine Augen wahrnahmen, war die bereits wieder aufgleitende Kabinentür, um mich aus meinem Grab zu entlassen.
    Es ist wohl überflüssig zu sagen, daß ich ohne Verzögerung aus der Kammer die Leiter hinunterkletterte, und erst als meine Füße fest auf dem Deck standen, erwachte mein Geist ganz und gewahrte irgendwie, daß ich wirklich die Leere durchmessen hatte.
    Es gab keine physischen Symptome, die mir sagten, daß meine Lebensprozesse für etwa sieben Wochen unterbrochen worden waren, und kein Molekül des Dormoduls schien verändert, doch in der Luft lag eine Spannung, ein Wechsel der Sphärenmusik, der irgendwie meine skeptischen Instinkte überzeugte, daß die Bird of the Night jetzt um eine andere Welt kreiste. Die Schläfer kletterten aus ihren Kästen, Schweber mit unserem Gepäck fuhren vorbei, und ein Schiffsansager sang ein wundervolles Mantra der Vorfreude: »Passagiere mit Ziel Edoku bitte zum Fährendock… Passagiere mit Ziel Edoku, bitte begeben Sie sich zum Fährendock…«
    Weitere Instruktionen waren nicht nötig, denn ein Strom von Passagieren drängte sich bereits durch den Zentralgang des Schiffes – gewöhnliche Leute wie ich, die Rucksäcke trugen oder von einem oder zwei Schwebern begleitet wurden, und die Leute, die anscheinend die Geehrten Passagiere waren, die von ganzen Konvois von Schwebern umgeben waren; und alles, was man tun mußte, war, eine Lücke in diesem Tumult zu finden und sich im Strom treiben zu lassen.
    Bald darauf saß ich in einer der Fähren, in die wir alle ohne Rücksicht auf unseren vorherigen Status recht unsanft gedrängt wurden, und einen Augenblick später konnte ich durch ein Bullauge den ersten Blick auf Edoku werfen.
    Mein Mund stand offen. Ich keuchte. Es dauerte sicher mehrere Minuten, bis mein Bewußtsein fähig war, den Informationen, die auf meine Netzhäute einhämmerten, ein zusammenhängendes Bild zu entnehmen, denn die Fähre war bereits unterwegs, ehe ich auch nur andeutungsweise verstehen konnte, wohin es ging, und selbst dann –
    Ich sah nicht die sternenübersäte Schwärze des Himmels, sondern einen endlosen Vorhang aus gasförmigem Chaos, Wirbel in Wirbeln, Strudel in Strudeln, magenta, orange, braun, rot, purpur, und diese brodelnden Wirbel und Strudel organisierten sich zu bandförmigen, höheren Mustern, und das Ganze schien mitten in der Bewegung erstarrt zu sein wie ein Standbild aus einem Holofilm.
    Als die Fähre ihre Lage veränderte, trieb von unten die Krümmung eines Planeten ins Blickfeld, und darüber waren willkürlich Hunderte, sogar Tausende strahlender Lichtscheiben verstreut, von denen Strahlen hinabglitten, sich bewegten, sich

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