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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Mikrobe – oder, dachte ich mit leichter Verwunderung über die verschlungenen Wege meines Bewußtseins, wie eine gewaltige silberne Samenzelle. Am unbeweglichen Schweif der Samenzelle waren, wie um die Metapher zu verbergen, Zylinder verschiedener Größen befestigt, anscheinend nach Gutdünken und asymmetrisch wie Würste und Salamis.
    Doch irgendwie strahlte das Ganze eine Größe und sogar Schönheit aus, die nicht ganz mit der scheinbar willkürlichen Anordnung seiner Einzelteile erklärt werden konnte. Sogar das Bild, das dieses Ding hervorgerufen hatte, schien seinem wirklichen Wesen zu entsprechen, wenn auch nicht ohne einen gewissen obszönen Humor.
    Denn war nicht das Sprungschiff wirklich die Samenzelle unserer Art, und waren nicht die Dormodule für die menschliche Fracht, die an dieses gewaltige Symbol des befruchtenden, hinausstoßenden Prinzips des alles durchdringenden Yang gekettet waren, die Behälter der vielfältigen Gene unserer Art, ausgeschickt, um die Menschenwelten, die es gab, und die Menschenwelten, die es geben wird, zu befruchten?
     
    Nun, diese blumigen Grübeleien hin oder her – sobald die Fähre an die Bird of the Night angedockt hatte, befand ich mich in einer viel prosaischeren Umgebung, nämlich in dem langgestreckten, rein funktionellen Zentralgang, durch den mich der Maestro der medizinischen Crew hinunterschob, ohne daß ich auch nur einen Blick auf die Quartiere der Geehrten Passagiere werfen konnte; und doch quälte mich der Anblick einiger dieser edel und extravagant ausstaffierten Paradiesvögel, die zwischen ihren Luxuskabinen und dem Eingang des Grand Palais hin- und herschlenderten; letzterer übrigens in meinen plebejischen Augen eine schlichte Tür wie alle anderen, die den Korridor säumten, aus der allerdings Musik drang, Unterhaltungen und Gelächter, die Düfte feiner Küche, exotischer Räucherstäbchen und von Drogen, die abermals den Wunsch in mir weckten, zu diesem endlosen Fest eingelassen zu werden.
    Und so legte sich wieder eine etwas brütende und schmollende Stimmung über mich, während ich mit einzigartigem Mangel an Feierlichkeit nicht etwa in die fröhliche Gesellschaft der Kosmokultur, sondern in eine kahle, unfreundliche Kammer geführt wurde, die völlig zu meinem Geisteszustand paßte, wenn sie auch kaum meine ohnmächtige Wut lindern konnte.
    Wirklich, meine Laune verschlechterte sich noch, als ich das ekelhafte Ding sah, in dem ich von Welt zu Welt reisen sollte. Lange Reihen sarggroßer Glaskästen waren zu beiden Seiten des Mittelflurs des Dormoduls vom Boden bis zur Decke aufgestapelt. Die oberen Etagen konnten nur über in gleichmäßigen Abständen gesetzte metallene Leitern erreicht werden. Vielleicht die Hälfte dieser Kammern war frei, doch in den anderen sah ich menschliche Gestalten, die voll bekleidet und reglos lagen wie die Leichen alter Politiker im Museum oder wie das Zeug, das man in Automatenrestaurants bekommt.
    Es lief mir kalt den Rücken herunter, als wäre dies tatsächlich eins der alten Kühlhäuser des Ersten Raumfahrenden Zeitalters, in dem die Lebensprozesse durch die eisige Kälte des Weltraums selbst und nicht, wie heute üblich, durch die viel sichereren Methoden elektro-bionischer Kontrolle verlangsamt wurden. In den höheren Gehirnzentren meines Geistes kannte ich die Theorie ganz gut, doch das alte reptilische Kleinhirn schnatterte seine endokrine Furcht vor dem Zustand heraus, der nur mit einer gewissen Spitzfindigkeit vom Tod unterschieden werden konnte.
    Der Med Crew Maestro drückte auf einen Knopf, und drei Reihen hoch auf der linken Seite glitt die Tür eines Verschlags auf. Ich blieb vor Angst gebannt stehen, starrte diese Einladung zu einem Schlaf jenseits des Schlafes an, ein Koma, das nur um Haaresbreite vom Tod entfernt ist, ein traumloses Nichts, das die ganzen sieben Wochen andauern würde, die die Bird of the Night für die Reise von Glade nach Edoku brauchen würde. Mein Vertrauen war gefordert, ein Vertrauensbeweis in die Maschinerie der…
    »Worauf wartest du, mein Kind?« fragte der Med Crew Maestro ungehalten. »Glaubst du denn, ich hätte nichts anderes zu tun? Nun mach schon!«
    Ich sah ihm in die gleichgültigen grauen Augen, suchte eine menschliche Regung, eine warme Sicherheit vor der grausamen Kälte. Was ich wahrnahm, war nichts weiter als der eulenhafte Blick eines gehetzten Angestellten, für den dies nichts weiter war als ein Teil seiner endlosen Routine.
    »Ich hab’ noch nie…

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