Kind des Glücks
getan, um eben dies zu erreichen? Gar nichts!
»Vraiment, warum wird nicht heute noch eine ausgerüstet?« fragte ich schuldbewußt und drängend. »Wirklich, warum geht nicht eine Flotte von Schwebern über den Tiefen des Waldes nieder, um unsere menschlichen Kameraden aus diesem bösen vegetabilen Faschismus zu retten?«
Lazaros Miene verdunkelte sich. »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie darauf kommen würden«, sagte er seufzend. »Ich hatte gehofft, daß nicht ich mit dieser Frage konfrontiert werden würde, denn die Antwort ist nicht gerade ein Ruhmesblatt für die Menschheit.«
»Was meinen Sie damit?« fragte ich verlegen, denn da ich Guy im Stich gelassen hatte, nahm ich an, daß er mit der Schande die meinemeinte.
»Die Psychotropika, die aus dem Bloomenveldt gewonnen werden, sind eine Quelle für großen Profit, no?« sagte Lazaro. »Sie sind die ökonomische Grundlage des ganzen unschönen Planeten. Und wenn Sie die Literatur durchsehen, werden Sie eine ganze Menge verschlüsselte Hinweise auf die geheimnisvollen Bloomenkinder finden. Die unerfreuliche Wahrheit ist, daß die Existenz derselben schon seit Jahrhunderten vermutet wird.«
»Warum hat man dann nicht – «
»Denken Sie nach, meine junge Freundin, und denken Sie mit Geiz im Herzen! Wenn etwas Derartiges eindeutig bewiesen und den Menschenwelten kundgetan würde, was wäre das Ergebnis?«
»Was sonst außer Geschrei und Klagen und der Forderung an alle Männer und Frauen, die guten Willens sind, eine Rettungsexpedition – « Ich unterbrach mich. Ich starrte Lazaro an. Er antwortete mit einem seltsamen kleinen Achselzucken auf meinen Blick. »Sie meinen doch nicht…?«
»Leider doch, meine junge Freundin«, sagte Lazaro unbehaglich. »Nicht nur würden sich die Bürger von Belshazaar moralisch verpflichtet fühlen, die Bloomenkinder zu retten, sondern viele würden zweifellos verlangen, daß der ganze Bloomenwald als angemessene Vergeltung für diese Schmach vernichtet wird. Und selbst wenn die Stimme der Wissenschaft einen solchen Genozid unter den Blumen verhindern könnte, scheint es mir, daß die Gegenwart der Bloomenkinder nötig ist, um die Blumen dazu zu bringen, eben jene Psychotropika zu entwickeln, die den Planeten bereichern. Eine unglückliche Symbiose vielleicht, aber eine echte – soll heißen, eine, von der beide Arten profitieren – die eine durch effizientere Befruchter, die andere durch gewaltigen finanziellen Gewinn.«
»Sie wissen es?« rief ich erschrocken und entsetzt. »Sie wissen es und tun dennoch nichts?«
Lazaro zuckte die Achseln. »Sie wissen es, sie wissen es nicht; certainement haben sie nicht den Wunsch zu wissen, was sie wissen.«
»Merde, ich hab’ in Ciudad Pallas immer einen bösen Geist gespürt, aber ich hätte ihn nur mit dem Fehlen von Ästhetik erklärt!« murmelte ich. »Ich hab’ mir nie vorgestellt, daß Wesen, die sich selbst Menschen nennen, ihre Gefährten auf so feige Weise um des Profits willen im Stich lassen!«
Ich konnte an nichts anderes denken, als ich ihn verließ, um meine Verabredung zum Essen mit Linda Yee Lech einzuhalten. »Da muß etwas passieren!« erklärte ich zornig, nachdem ich mich ausgiebig über das Thema ausgelassen hatte. »Wir müssen diese gemeinen Ausbeuter zwingen, die Bloomenkinder zu retten!«
»Sind Sie Ihrer moralischen Rechtschaffenheit in dieser Angelegenheit so sicher?« fragte sie mich gleichmütig. »Was haben Sie erreicht, wenn Sie die Bloomenkinder aus dem Wald holen? Sie hätten eine planetarische Wirtschaft ruiniert und den Fortschritt der Psychopharmakologie behindert, um sie aus der ökologischen Nische zu befreien, in der sie sich entwickelt haben, und danach würden sie dastehen wie Ausstellungsstücke im Zoo. Selbst wilde Menschen, die von anderen Säugern aufgezogen wurden, entwickeln kein Bewußtsein, und noch weniger werden die Symbionten des Bloomenveldts je etwas anderes sein als Säuger in menschlicher Form sans élan humain, nicht wahr?«
»Aber ihre Kinder – «
»Wollen Sie die in Gefangenschaft aufziehen?«
»Nein, natürlich nicht, aber – «
»Dann würden Sie einen Völkermord an den Bloomenkindern und am Bloomenveldt gutheißen?«
»Völkermord? Ich bin doch nicht das Monster!«
Linda Yee Lech lächelte, und ihr Gesichtsausdruck wurde weicher. »So sprechen alle Menschen, und sie haben recht«, sagte sie. »Vraiment, dies ist eine Frage, die den Geist verwirren muß. Denn wer ist hier das Monster?
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