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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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allgemeine Richtung nur mit Anstrengung in etwa verstehen und vermochte kaum etwas Zusammenhängendes dazu beizutragen. Bei einem weiteren Dessert – Schokoladengebäck gefüllt mit Eierkreme mit Rosengeschmack – saß ich still da und lauschte den aufgeregten und gelegentlich auch erbitterten Diskussionen über die Psychopharmakologie des Bloomenveldts, über die theoretischen Parameter eines pflanzlichen Bewußtseins, über die Definition des élan humain, über die Ethik der Kontinentalsterilisation et cetera. Ich bemühte mich, die Bedeutungen der Begriffe zu verstehen, und ich verstand genug, um zu erkennen, daß meine eigene einfache Geschichte das zentrale Thema aller dieser Kommentare war.
    Es war aufregend zu sehen, wie ernst so gebildete Geister meine Abenteuer nahmen, doch es war auch beängstigend zu erkennen, wieviel größeres und tieferes Wissen, welche Einblicke es auf jedem denkbaren Gebiet gab, das ich mir nur vorstellen konnte – besonders, wenn die Schlichtheit meines eigenen Geistes so deutlich demonstriert wurde, indem meine persönliche Erfahrung zum Thema wurde.
    »Ich hätte nie gedacht, daß ich über die Zusammenhänge meiner eigenen Existenz so viel lernen könnte«, beklagte ich mich bei Wendi, als wir nach dem Bankett gingen. Mein Bewußtsein war von den gelehrten Gesprächen so ermüdet wie mein Magen von der haute cuisine. »Wie sollen wir das alles in meine einfache Geschichte packen?«
    Wendi lachte. »Alles zu seiner Zeit, Liebes, eins nach dem anderen«, beruhigte sie mich fröhlich. »Jetzt mußt du gut schlafen, Sunshine, denn morgen beginnen wir mit der Arbeit.«
     
    Das taten wir. Drei Tage lang sprach ich meine Geschichte in verschiedenen Versionen auf Wortkristalle, bis ich den Klang meiner eigenen Stimme zu hassen begann, und dann versuchten wir drei weitere Tage lang, sie zu einer Version zusammenzufassen, die unserer wissenschaftlichen Begleitgruppe vorgelegt werden konnte. Als dieser Prozeß zu Wendis Zufriedenheit abgeschlossen war, hämmerte mein Gehirn vor intellektueller Erschöpfung, und ich wollte nichts mehr mit der ganzen Sache zu tun haben. Die Wahrheit war, daß ich noch nie in meinem jungen Leben so angestrengte intellektuelle Arbeit verrichtet hatte; um ehrlich zu sein, war ich bis zu diesem Punkt in bezug auf wirkliche Arbeit eine Jungfrau gewesen.
    Während der ganzen menschlichen Geschichte mußten sich die Jugendlichen unserer Art immer wieder endlose Vorträge über die Freuden der Arbeit anhören, über die Langeweile, die das unvermeidliche Resultat des Müßiggangs sei, über die psychische Befriedigung, die man durch die Hingabe an ein großes Werk gewinnen könne – je zehrender desto besser. Nun, diese Moralpredigten hin oder her, die Freuden der Arbeit gingen jedenfalls über meinen Horizont, bis die nächste Phase des Prozesses begann.
    »Eins nach dem andern«, hatte Wendi versprochen, und so kam es auch. Denn statt mich ganzen Batterien von gelehrten Befragern auszuliefern, bekamen die Wissenschaftler Wortkristalle mit der Rohversion der Matrixeingabe zum Studieren, und ich traf sie einen nach dem anderen zum Mittag- oder Abendessen oder in ihren Suiten, und meist war Wendi dabei.
    Nun war die Situation in gewisser Weise umgekehrt, denn während meine Lehrer certainement nie das Interesse daran verloren, in diesen Gesprächen wichtige Dinge für ihre eigene Weiterbildung zu finden, so blieben sie dennoch Lehrer und Quellen von Wissen, über die ich verfügen konnte – und wie gute Lehrer sie waren!
    In der Suite von Lazaro Melinda Kuhn erfuhr ich die obskure und widersprüchliche Antwort auf eine Frage, die bisher noch nie mein Bewußtsein beschäftigt hatte. Als ich seine sanften, doch vorwurfsvollen Klagen über meine nicht gerade wissenschaftlich klaren Beschreibungen der Flora und Fauna des Bloomenveldts satt hatte, drang sie plötzlich in mein Bewußtsein vor.
    »Warum verlaßt ihr euch dann auf die Anekdoten von Menschen wie mir?« fragte ich. »Warum wurde, obwohl Belshazaar seit Jahrhunderten von Menschen bewohnt wird, noch nie eine richtige wissenschaftliche Expedition ins Innere des Bloomenveldts ausgesandt…?«
    Ich unterbrach mich, als ich meine Worte hörte – genauer, als mir die schlimme Kränkung bewußt wurde, die in ihnen lag. Denn hatte ich mir nicht selbst versprochen, eines Tages mit einer solchen Expedition zurückzukehren, um Guy Vlad Boca zu retten, wenn ich in die Menschenwelten fliehen konnte? Und was hatte ich

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