Kind des Glücks
hinausgehen darf, weil es sonst stilistisch bergab geht. Tja, kraft meiner herausgeberischen Fähigkeiten erkläre ich, daß wir diesen Punkt jetzt erreicht haben. C’est fini! Bis wir Alpa erreichen, gibt es keine sinnvolle Arbeit mehr zu tun. Nutze die Zerstreuungen, die das Grand Palais zu bieten hat, nimm einen Geliebten oder mehrere, betäube dich mit Drogen, genieße einen wohlverdienten Urlaub in der allerbesten Tradition unseres Gewerbes.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nun, da ich mich entschlossen habe, die Geschichte angemessen zu beenden, und nun, da es nichts mehr zu tun gibt, außer den Schluß abzuwarten, fürchte ich, daß ich nur nervös durch dieses Grand Palais und dann durch das der Arrow of Time streifen kann, während ich darauf warte, daß die endlosen Tage vergehen…«
»Nun, warum machst du dir dann Sorgen?« sagte Wendi ironisch.
»Sorgen?«
»Wäre dies ein Roman, den ich schriebe, dann würde ich einfach einen Zeitsprung zur nächsten wichtigen Szene machen, statt mein Publikum mit einer detaillierten Beschreibung der Langeweile dazwischen zu vergraulen«, sagte Wendi. »Warum bist du nicht genauso gnädig mit dir? Wir werden Flor del Cielo in ein oder zwei Tagen erreichen, und wenn wir dort sind, kannst du im Dormodul der Arrow of Time reisen. Während du im traumlosen Schlaf liegst, werde ich im Grand Palais reisen und mich um einige Pflichten kümmern, die ich etwas vernachlässigt habe, und wenn du wach wirst, sollte ich schon Pater Pans Aufenthaltsort für dich gefunden haben.«
Ich schnippte ein-, zwei-, dreimal mit den Fingern. »Wie der Rapid!«
Und so kletterte ich abermals im langen Zentralflur eines Dormoduls, das vom Boden bis zur Decke mit Glaskästen ausgestattet war, eine metallene Leiter hinauf und nahm zwischen den nicht ganz so geehrten Passagieren, die traumlos schliefen, meinen Platz ein.
Doch jetzt hatte ich keine Angst, als ich mich mit dem Gitterhelm hinter dem Kopf auf die gepolsterte Liege legte. Und keine klaustrophobische Angst, als hinter mir die Tür des Abteils zuglitt. Soviel war geschehen, seit ich zitternd meine erste Reise von Glade nach Edoku unternommen hatte. Ich hatte meine Geburtswelt verlassen, im großen Edoku selbst bestanden, im gefährlichen Bloomenveldt überlebt, war als Geehrter Passagier gereist, hatte meine wahre Berufung gefunden, und bald, vraiment, im nächsten Augenblick meines Wachbewußtseins, würde ich den Planeten erreichen, auf dem die Geschichte meines Wanderjahrs enden sollte. Und hatten mir nicht Pater Pans eigene Worte, von der Matrix bestätigt, gesagt, daß er eben diesen Prozeß Dutzende oder Hunderte Male überlebt hatte?
Vraiment, erforderte nicht die Ästhetik, daß ich genau auf diese Weise zu ihm reiste?
Und so fühlte ich nur Frieden, als die versteckten Maschinen zu summen begannen und mein Kopf von etwas Kühlem, Mechanischem zärtlich berührt wurde – die Versprechung einer blitzschnellen Versetzung zum triumphierenden Abschluß der Geschichte meines Wanderjahrs. Schnipp! Schnipp! Schnipp! Wie der -
- Rapid!
Die Tür meines Abteils ging auf, als ich erwachte. Ich rieb mir mit einer beiläufigen Geste den Schlaf aus den Augen, als sei ich aus einem kurzen Nickerchen erwacht, rollte von der Liege, kletterte die Leiter hinunter und erwartete, mich mitten im Gedränge der Leute wiederzufinden, die aussteigen wollten, wie ich es erlebt hatte, als ich im Dormodul der Bird of the Night bei meiner Ankunft auf Edoku erwacht war.
Statt dessen war der Gang des Dormoduls jedoch bis auf Wendi Sha Rumi und den Med Crew Maestro der Arrow of Time verlassen. Keine anderen Passagiere kletterten aus ihren Kammern, keine Schweber trugen Gepäck, keine Ankündigungen kamen über den Schiffslautsprecher, keine Spannung lag in der Luft – nur Wendi, der Med Crew Maestro und ich zwischen den Stapeln und Reihen stummer Schläfer.
Und als wäre dieses Erwachen noch nicht grob genug, war da auch noch Wendis Benehmen. Noch nie hatte ich sie so düster, so ängstlich gesehen. Wirklich, sie schien meinen Blicken auszuweichen.
»Was ist los?« wollte ich wissen.
»Ich kann Ihnen versichern, daß es bei der Wiedererweckung keine Anomalien gegeben hat«, platzte der Med Crew Maestro heraus. »Ich bin nur anwesend, weil es zum normalen Verfahren der – «
»Warum wurde dann keiner der anderen Passagiere aufgeweckt? Hat es eine Fehlfunktion gegeben bei – «
»Gewiß nicht!« schnappte der Med Crew Maestro
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