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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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nie daran gedacht hatte, wie all diese Reichtümer erworben wurden.
    Oder besser, wie ich mich in den Arbeitsmarkt einbringen konnte. Ich wußte, daß Edoku ein Zentrum der Künste, der Wissenschaften und des Handels war, die zusammen zweifellos die Grundlage für den allgemeinen Wohlstand der Bevölkerung bildeten, doch in diesen Unternehmensbereichen waren meine Kenntnisse im besten Fall die einer urteilsfähigen Genießerin. Vraiment, ich konnte in meinem Repertoire keine einzige Fähigkeit entdecken, die mir bei der einfachsten Beschäftigung etwas eingebracht hätte; ich konnte nicht einmal die primitivsten Gerichte zubereiten, ich wußte nichts über die Kunst, Speisen zu servieren, und mein Unwissen über die Grundzüge des Handels hatte ich soeben demonstriert. Ich hätte irgendwann in Erwägung ziehen können, mich zu erniedrigen und um Almosen zu betteln, wenn ich nur die Schliche und Techniken des Bettlergewerbes gekannt hätte; und Diebstahl, wenn auch nicht durch moralische Einwände ausgeschlossen, schien völlig jenseits meiner Fähigkeiten, denn ich konnte mir kaum vorstellen, ein Opfer zu überwältigen und mich mit dem Ruegelt, das seine Börse enthalten mochte, aus dem Staub zu machen.
    Natürlich besaß ich noch den Fühler, den mein Vater mir gegeben hatte, und auf einem weniger extravaganten Planeten als Edoku hätte es mir die Verstärkung meiner tantrischen Fähigkeiten zusammen mit meinen – wie ich sie beurteilt hatte – recht ansehnlichen Erfahrungen beim Liebesspiel leicht ermöglicht, dem Plan meiner Eltern entsprechend als tantrische Künstlerin Geld zu verdienen. Doch hier, wo genmanipulierte Kreaturen bei Vorstellungen in Freudenpalästen auftraten, wo die sinnlichen Künste zum Entzücken der verwöhntesten Kenner so weit verfeinert waren, daß sie weit über mein Begriffsvermögen gingen, schien es mir, selbst mit der Kunst meines Vaters im Rücken, daß ich genausoviele Chancen hatte, erfolgreich als tantrische Künstlerin zu arbeiten wie ein ungeschulter Tölpel von einer Vorpostenwelt sie in Nouvelle Orlean gehabt hätte.
    Schließlich wurden diese wichtigen Betrachtungen über meine ökonomische Zukunft und sogar der nagende Hunger in meinem Bauch von einer noch viel dringlicheren Angelegenheit überlagert, die ich bisher noch gar nicht berücksichtigt hatte, die sich aber verstohlen in mein Bewußtsein geschlichen hatte, bis ein Punkt erreicht war, an dem sie eine alarmierende Vorrangstellung bekam. Anders gesagt, nach vielen Stunden des Umherirrens war meine Blase so voll, daß sie fast zu platzen schien, und ich mußte mich jetzt aus meiner Trübsal reißen und meinen ersten praktischen Überlebensschritt tun. Ich mußte sofort eine Toilette finden.
    Leichter gesagt als getan. Ich wußte, daß es in jedem Hotel und jedem Restaurant, in jeder Taverne und Vergnügungsstätte auf Edoku Toiletten gab, und naturellement hatte ich sie häufig genug benutzt. Leider verlangten alle diese Lokale einen gültigen Kreditchip als Sicherheit, ehe sie einen überhaupt einließen, und ich mußte mit beträchtlicher Wut erfahren, daß die Toiletten anderen als den zahlenden Gästen nicht zugänglich waren.
    Als ich genug Mut für einen sechsten Versuch, in eine Toilette eingelassen zu werden, gesammelt hatte, nachdem ich fünfmal kurz und äußerst mürrisch abgewiesen worden war – mein Ziel war eine bescheidene Taverne, die in einen Miniaturberg in einer Wüste gehauen war –, wand ich mich schon vor Qual, und die Wahrung einer würdevollen Haltung war nicht einmal mehr ein flüchtiger Gedanke, so daß ich mich fast heulend an den Domo der Taverne wandte.
    »Please! Bitte! Por favor! Ihre Toilette, guter Mann! Ich hab’ kein Geld, aber ich platze gleich! Ich bitte Sie…«
    »Ungeheuerlich!« rief er aus, ein dünner grüner Mann in safranfarbener Robe. »Taverna ici! Pas pour Öffentlichkeit!«
    »Was?«
    »Die öffentliche Bedürfnisanstalt jenseits des Flusses im Wald! Ici, nein! Welche Unverschämtheit!«
    »Wovon reden Sie?« schrie ich.
    »Wovon ich rede? Wovon reden Sie? Gewiß wird doch ein Kind des Glücks den feinen Unterschied zwischen einer Taverne und einer öffentlichen Bedürfnisanstalt erkennen können!«
    »Bitte, guter Mann, please, haben Sie Nachsicht mit meiner Unwissenheit«, bat ich. »Das ist mir völlig neu. Ich hab’ keine Ahnung, was Sie mit einer öffentlichen Bedürfnisanstalt meinen!«
    Das Gesicht des Domos wurde etwas weicher, zumindest betrachtete er

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