Kind des Glücks
Bedürfnisanstalten. Ich habe jedoch gehört, daß es hier kostenloses Essen geben soll, aber ich sehe keinen Speisesaal, nicht einmal ein kaltes Buffett…«
Aus Gründen, die ich noch erfahren sollte, schienen die drei dies für sehr lustig zu halten, denn sie brachen in lautes, ironisches Gelächter aus. Vor ihnen auf dem Tisch lagen ein halbes Dutzend graue, rechteckige Blöcke; Dan gab mir einen und machte eine übertrieben höfliche Verbeugung.
»Voilà, deine erste Mahlzeit, Moussa«, sagte er. »Dir steht ein unvergleichlicher kulinarischer Genuß bevor.«
Ich befingerte zweifelnd das unappetitliche graue Ding. Es fühlte sich an wie Seife. Ich roch daran. Es war fast geruchlos, bis auf einen leichten Duft nach Chemie; vielleicht Formaldehyd. Es schien mir, ich sollte das Opfer eines kindischen Streichs werden…
Als sie mein Zögern bemerkte, nahm Jooni einen anderen Block in die Hand, biß ein großes Stück ab, kaute es mit völlig unbewegtem Gesicht und schluckte es. »Mangia, Moussa«, sagte sie. »Nicht nur völlig sicher, sondern jeder Futterblock liefert die bestmögliche, perfekt zusammengestellte Nahrung für einen Standardtag.«
»Aber wir dürfen soviel essen, wie wir wollen«, ergänzte Mart.
»Wenn wir auch nicht soviel wollen, wie wir essen«, murmelte Dan rätselhaft.
Da ich einen Riesenhunger hatte und zumindest sicher war, daß ich mich nicht vergiften würde, biß ich ein kräftiges Stück von meinem Block ab und kaute es erwartungsvoll.
Es fühlte sich an wie Frischkäse aus Zellulosestaub. Es hatte überhaupt keinen Geschmack oder besser den vollkommen neutralen Geschmack eines Stücks feuchten Papiers. Ich schluckte es rasch und mechanisch, wenn auch nur, um meinen Gaumen von diesem verdammten Zeug zu befreien, während meine Gefährten, die meinen Gesichtsausdruck sahen, abermals laut herausplatzten.
»Das ist ja scheußlich!« rief ich. »Ekelhaft!«
»Versuchs’s nochmal und denk drüber nach«, sagte Mart. »Dann wirst du sehen, daß es weder scheußlich noch ekelhaft ist. Es ist viel leichter zu essen und viel langweiliger.«
»Vielleicht kennst du die Kunst eines chef maestro und hast über seine kulinarische Perfektion gestaunt?« sagte Jooni. »Solche Kunst ist ein Triumph der kulinarischen Kunst, was?«
»Nun, du solltest auch die Kunst hinter der Schöpfung dieses Eßblocks schätzen«, sagte Dan. »Irgendwo auf Edoku gibt es einen chef maestro, der durch ständige Übung seiner Fähigkeiten die totale kulinarische Anti perfektion erreicht hat. Die Eßblocks sind nicht das Produkt eines unfähigen Kochs; au contraire sind sie ein Triumph, ein in Nährstoffen völlig ausgewogenes Essen, dem jeder Hinweis auf kulinarische Feinheiten genommen wurde!«
»Und völlig im Einklang mit der allgemeinen Haltung der Edojin gegenüber den Kindern des Glücks«, setzte Jooni hinzu, und dann, als mein rasender Hunger das ästhetische Widerstreben überwand und ich düster den Rest meines Eßblocks verschlang, gaben mir die drei eine gemeinsame Lektion, die mir in bewundernswerter Weise half, mir meinen augenblicklichen Status auf Edoku klarzumachen und mich in die Demimonde der öffentlichen Bedürfnisanstalten hineinzufinden.
Die Bedürfnisanstalten waren mit teuflischer Perfektion so eingerichtet, daß sie uns das absolut Lebensnotwendige gaben und kein bißchen mehr. Toiletten und Waschmöglichkeiten. Die rein funktionellen und ästhetisch schrecklichen grauen Kleider für die von uns, die keine brauchbare Kleidung mehr besaßen. Völlig geschmackloses Wasser. Und natürlich die unsäglichen, aber nahrhaften Eßblöcke.
Was die Schlafgelegenheiten anging – hatte Edoku nicht öffentliche Parks aller Arten, um jede denkbare Vorliebe von Temperatur, Klima, Tageszeit, Jahreszeit und Schwerkraft zu befriedigen?
Edoku war, nach der Sozialphilosophie der Edojin, moralisch verpflichtet, unsere biologische Existenz zu sichern, doch unsere ästhetischen und spirituellen Bedürfnisse lagen nicht in der Verantwortung der Politik, sondern in unserer eigenen.
Weiterhin wurde uns bei jeder Gelegenheit klargemacht, daß uns das Volk von Edoku keineswegs Undankbarkeit und verletzten Stolz vorwerfen würde, falls wir es vorzögen, ihren Planeten zu verlassen und einen anderen mit großzügigeren öffentlichen Dienstleistungen aufzusuchen. Au contraire, als Zeichen des guten Willens in dieser Hinsicht bekamen die Kinder des Glücks, die Edoku verlassen wollten, einen Nachlaß von 25% auf
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