Kind des Glücks
allen Sprungschiffen, die vom Planeten starteten.
So dienten die Bedürfnisanstalten als Salons, Restaurants und Basare der Kinder des Glücks auf Edoku, und so wurde ich eine Bürgerin der Demimonde, die in den Nischen der bunten Welt Edokus existierte; nicht ganz außerhalb der belebten Bezirke, doch wenigstens diskret in Winkel und Ecken versteckt.
Als ich noch als echte Touristin mit einem gültigen Kreditchip im Hotel Yggdrasil gelebt hatte, waren mir die kleinen, grauen Gebäude, die hinter Gebüschen versteckt oder in unzugänglichen Tälern gebaut oder auf selten besuchten Gipfeln oder in Gassen zwischen hohe Türmen verborgen waren, nie aufgefallen. Ebensowenig hatte ich die Gestalten in Grau, die mir gelegentlich begegneten, für etwas anderes als Edojin mit einem besonders ausgefallenen Geschmack gehalten; unter dem farbenfrohen Gedränge dieser Paradiesvögel war ein so schlichtes Gefieder einfach unsichtbar, es sei denn natürlich, man war ein Vogel derselben Art.
Und außerdem – wer bemerkte schon, daß die Parks und Gärten und Wälder als Schlafplätze für ein Völkchen Mittelloser dienten, wo doch dieselben Orte von den Edojin selbst besucht wurden, die gern auf Wiesen lagen, nach dem Essen ein Nickerchen machten und in Lauben und Hütten dem Liebesspiel nachgingen?
Nachdem ich nun durch die finanziellen Umstände von den Restaurants, Hotels und Vergnügungspalästen ausgeschlossen und bei meinen Erkundungen auf die Entfernungen beschränkt war, die ich zu Fuß überwinden konnte, erlebte ich in meiner Wahrnehmung eine Veränderung von Detail und Hintergrund. Die extravaganten Gebäude der städtischen Bezirke, die Pavillons und Freudenpaläste, die Hotels und Vergnügungsstätten drangen kaum noch in den Vordergrund meiner Aufmerksamkeit, denn sie waren nun Facetten einer Gesellschaft geworden, einer Realität, aus der ich ausgestoßen war; sie nahmen jetzt die Rolle eines Hintergrundgeräusches an – ein extravaganter, kaleidoskopischer Hintergrund, vor dem ich mit einer Lebhaftigkeit und mit einer durch die Notwendigkeiten geschärften Auffassungsgabe das alltägliche Reich der Kinder des Glücks wahrnahm, die bisher meinen Augen verborgen geblieben waren.
Ich wußte vielleicht nicht, welches herausgeputzte Gebäude ein Restaurant oder eine Taverne beherbergte, wußte nicht, welche Art der Kochkunst drinnen zu finden war, während ich ziellos durch ein relativ beschränktes Gebiet streifte, doch binnen weniger Tage kannte ich den Standort jeder Bedürfnisanstalt in diesem Bezirk. Die Preise für die Vergnügungen, die man in diesem Viertel finden konnte, waren mir völlig gleichgültig, ich wurde hingegen bald ein erfahrener Kenner der Gärten, Wälder und Parks. Ich wußte, wo ich eine üppige Wiese unter einem warmen Mitternachtshimmel finden konnte, mit gerade genug Schwerkraft, um einen schlafenden Körper am Boden zu halten, oder wo man im Zwielicht auf einem Waldboden schlummern konnte oder wo man sich an einem Strand im Mittagslicht an einem See von der Sonne bräunen lassen konnte und wo man eine Hütte an einem kühlenden Strom fand in einem Land, in dem es niemals wirklich dunkel wurde.
Kurz gesagt, war ich ein typisches Kind des Glücks von Edoku: gerade von zu Hause angekommen, mittellos, erst kurz auf dem Planeten, lebte ich von Eßblöcken, schlief im Freien und besuchte die Bedürfnisanstalten ebensosehr, um die Zeit totzuschlagen, wie um die Einrichtungen zu benutzen.
Denn um ehrlich zu sein, wußten die meisten von uns in diesem Stadium unserer Entwicklung als Kinder des Glücks kaum mehr anzufangen, als ziellos zwischen den Landschaften und öffentlich zugänglichen Orten umherzuirren, zu schlafen, uns mit zufälligen amourösen Begegnungen zu vergnügen oder uns in den Anstalten zu versammeln, um Geschichten, Informationen und Gerüchte auszutauschen.
Meist ging es um Aktionen, mit denen wir irgendwie genügend Ruegelt bekommen wollten, um entweder Zugang zu den Restaurants, Hotels, Vergnügungsstätten und besonders zum Rapid zu finden oder um Edoku zu verlassen und einen finanziell weniger anspruchsvollen Planeten aufzusuchen. Oder wir sprachen über die Methoden, mit denen man Aufnahme in die Elitezirkel der Anstaltsgesellschaft fand – jene älteren, klügeren und erfahreneren Kinder des Glücks, die weder aufgegeben hatten und nach Hause gefahren waren noch den Planeten mit einem anderen Ziel verlassen hatten, sondern in der sozialen Ökologie Edokus ihre
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