Kind des Glücks
Mißverständnissen zu leiden«, sagte er nicht unfreundlich. Er klopfte neben sich aufs Bett. »Sit down, Girl, und ich werde dich aufklären.«
Der Tonfall gefiel mir ganz und gar nicht; dennoch tat ich, was er verlangt hatte, wenn auch nicht ohne ein ängstliches Zittern und nicht ohne eine gewisse physische Distanz zu wahren, die zu meinem plötzlichen Unbehagen paßte.
»Du kannst nicht älter als zwanzig Standardjahre sein, was?« begann er. »Ich dagegen reise seit Jahrtausenden zwischen den Menschenwelten…«
»Solche Übertreibungen sind wohl geeignet, um Trottel zu beeindrucken«, spottete ich, »aber sie passen kaum zu einer ernsten Diskussion von Herzensangelegenheiten im Boudoir! Kein Mensch kann vierhundert Jahre alt werden, und die wissenschaftlichen Gründe dafür sind seit Jahrhunderten bekannt.«
»Ah, aber ich spreche von Zeit, nicht von Alter, Moussa, und in unserem Zweiten Raumfahrenden Zeitalter sind die Begriffe etwas auseinandergerückt. Ganz abgesehen von größeren Geheimnissen, verfallen wir nicht allmählich in Senilität, wie es den Menschen früher beschieden war, sondern ganz plötzlich, wenn unser Nervensystem nicht mehr funktioniert. Und so kann ich, an der Spanne meiner körperlichen Jahre gemessen, ebensogut dreihundert wie dreißig sein…«
»Dreißig, dreihundert, dreitausend, je ne sais pas!« erklärte ich. »Was hat dieses Gerede von Alter und Zeit mit uns zu tun?«
»Alles«, sagte er tonlos. »Glaube es oder nicht, aber glaube mir wenigstens, daß ich glaube, daß ich schon länger auf den Menschenwelten bin, als meine Erinnerung zurückreicht. Nachdem du mich etwas kennst, kannst du sicher glauben, daß die letzten paar Jahrtausende nicht in dummem Zölibat vergingen, was heißen soll, daß ich in Herzensdingen viel erfahrener bin als du oder daß ich zumindest soviele Frauen gesehen habe wie du Tage.«
»Nun, da kann ich wenigstens annehmen, daß du ohne Übertreibung sprichst«, räumte ich trocken ein.
»Bien. Und ich sage dir die Wahrheit, ihre Geister waren mir in ihrer Zeit ebenso teuer, wie es deiner jetzt ist.«
»Geister?« schniefte ich. »Du willst mir doch nicht erzählen, daß du ein paar tausend Geliebte um ihrer Geister willen verehrt hast?«
Pater zuckte die Achseln. »Bin ich nicht ein Mann mit großem Charisma?« sagte er. »Bin ich nicht der beste aller Geliebten? Kannst du dir vorstellen, daß ich etwas anderes bin als ein vollkommener Meister der Verführung? Ist es nicht eine Tatsache, daß ich der Gegenstand ungeheuren weiblichen Begehrens bin, was ja gerade der Grund für deine augenblickliche Rage ist?«
»Und ungewöhnlich bescheiden dazu«, sagte ich, kaum fähig zu glauben, daß ich wirklich so eine unglaubliche Prahlerei aus dem Mund eines sterblichen Mannes gehört hatte. Aber andererseits war ich unfähig, die schmerzhafte Wahrheit zu leugnen.
Doch Pater Pan lachte nicht. Statt dessen wurde sein Gesicht so tiefgründig ernst, betrachtete er mich mit einem so mitfühlenden und zärtlichen Blick, daß es ihm irgendwie gelang, sich selbst als Helden darzustellen, der den spirituellen Mut gefunden hatte, die Worte auszusprechen, die ihn zugleich als Rüpel und Prahler gekennzeichnet hatten. Noch nie hatte mich ein Mann so angesehen. Noch nie hatte ein Geist den meinen so tief berührt oder ein so irrationales Vertrauen erzeugt. Noch nie hatte ich so geliebt.
»Kannst du dir vorstellen, daß ein solcher Mann seine Gunst einer Frau schenkt, die nicht sein Herz berührt hat?« sagte er.
»Nun, in der Duschkabine habe ich nicht gerade dein Herz berührt…«, erinnerte ich ihn.
Wiederum lachte Pater nicht über meinen Scherz, sondern schien fast ungeduldig und böse. »Merde, muchacha, sei doch vernünftig!« sagte er. »Kannst du dir nicht vorstellen, daß ich der Gegenstand zahlloser solcher Listen war? Kannst du dir vorstellen, daß mein Lingam mein Herz regiert? Glaubst du wirklich, daß ich deine wahre Absicht nicht erkannte, nämlich zu erreichen, was du nun erreicht hast?«
Meine Ohren brannten, und meine Augen begannen zu tränen. »Du mußt mich für eine alberne Närrin gehalten haben…«, flüsterte ich verloren. Doch noch immer konnte ich den Blick nicht von seinen tiefen, hellblauen Augen wenden.
Und er seine nicht von meinen. »Närrin?« rief er. »Dein Mut und deine Klugheit haben mein Herz gewonnen!«
»Wirklich?«
Nun setzte Pater ein jungenhaftes Grinsen auf, und ich wollte lachen, wenn ich auch nicht wußte,
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