Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
in dem der einzige Schmuck diese Farben selbst waren.
    Ich überließ es Guy, unter der cuisine auszuwählen, und wir aßen ein Festmahl aus vielleicht zwanzig winzigen Gängen, die in Form einer Reistafel serviert wurden; an Stelle der traditionellen, dampfenden Reisschüssel als Grundlage für die kulinarischen Miniaturen gab es allerdings einen riesigen Berg aus dünner, stark mit Safran gewürzter pasta, die in einem scharfen Öl knusprig gebraten war. Zu dieser Mahlzeit tranken wir einen starken Weißwein – wie duftender Sake –, der mit leicht berauschenden Kräutern versetzt schien.
    Während wir in diesem romantisch beleuchteten Lokal, in dem sich auch einige prächtig gekleidete Edojin aufhielten, gemütlich ausruhten und geziert an den kunstvoll zubereiteten Gerichten, die ein gutes Dutzend cuisine- Stile repräsentierten, herumpickten und dazu Wein tranken, der meinen Körper mit einem feinen, sinnlichen Glühen erwärmte, fühlte ich mich um Lichtjahre vom alltäglichen vie ordinaire entfernt, das ich so lange auf Edoku ertragen hatte. Abermals war ich zur verwöhnten haut monde zurückgekehrt, die ich als geliebte Tochter aus der Oberschicht Nouvelle Orleans genossen hatte – als haut turista auf Edoku, die mühelos die Unterstützung für zwei Monate in ebensovielen Wochen durchgebracht hatte. Während meine Zeit als Gypsy Joker und Geliebte des großen Pater Pan immer noch im Nachglanz der Erinnerungen strahlte, spürte ich, daß ich nun zu meinem wirklichen Status zurückgekehrt war. Und es war eine Gnade, aus der ich nie wieder fallen wollte.
    Guy Vlad Boca, so schien es mir, war sozusagen der Kreditchip, mit dem ich einen solchen Lebensstandard unendlich lange halten konnte, wenn ich ihn nur für meine Zwecke einspannen konnte.
    So war es nur konsequent, daß ich den Fühler ständig aktiviert hielt, um scheinbar zufällig mit der Hand verschiedene Teile seiner Anatomie zu berühren, während wir aßen, tranken und sprachen – ich berührte etwa seine Hand oder seinen Arm, um ein Argument zu betonen, klopfte unschuldig und freundlich zustimmend seinen Schenkel, kuschelte mich eng an ihn und benutzte ganz allgemein die üblichen weiblichen Verführungstricks, die durch meine geheime elektronische Kraft gewaltig verstärkt wurden.
    Andererseits muß ich zugeben, daß ich selbst für die erotische Aura, die ich um unser intimes tête-à-tête spann, nicht unempfänglich war, denn certainement war er ein hübscher Bursche mit einer lässigen, lockeren Haltung, die einen anziehenden, sinnlichen Geist verriet; er hatte sich als gewitzt und klug erwiesen, und das rosige atmosphärische Glühen im Crystal Palace, ganz zu schweigen von den Rauschmitteln im Wein, ließ eine angenehm erregte Wärme durch meinen Körper strömen.
    »Ich spüre, daß es die Vorsehung wollte, daß sich unsere Schicksale ineinander verschlangen, Guy«, erklärte ich, indem ich mich nahe zu ihm beugte und ihn schüchtern über den Rand meines Weinglases betrachtete, während ich sein Bein streichelte.
    »Wirklich«, gab er zurück, und seine Augen wurden von einem rauchigen Sonnenuntergangsglühen erwärmt, »ich hätte wenig gegen ein angenehmes Verschlingen einzuwenden, nachdem unser kulinarischer Appetit angemessen befriedigt ist.«
    »Alles zu seiner Zeit«, versprach ich. »Aber jetzt denke ich an ein noch viel intimeres Unternehmen als eine passage d’amour; eines, das letztere mit der Pikanterie einer tieferen Gemeinsamkeit würzen würde, ebenso wie die Rauschmittel in diesem Wein seine berauschende Wirkung verstärken…«
    »Hm…?« summte er verträumt.
    »Die Tatsache, daß wir hier sind, beweist unsere Fähigkeit, zusammen das Gewerbe der Geschichtenerzähler auszuüben, no… «
    »Geschichtenerzähler? Moi?« sagte er etwas unkonzentriert, denn meine Hand glitt die Innenseite seines Schenkels hinauf.
    »Bist du denn kein Geschichtenerzähler?« fragte ich einigermaßen überrascht. »Ich hätte gedacht…«
    Er strahlte mich an und schob sein Gesicht dicht vor meines. »Ich hab’ noch nie im Leben eine Geschichte erzählt«, sagte er. »Aber ich besitze eine gewisse verbale…«
    »Nun, dann mach dir keine Sorgen und überlaß mir die Frage des Repertoires«, versicherte ich ihm etwas überheblich. »Was ich im Sinn habe, erfordert es übrigens auch nicht, die Kunst der Geschichtenerzähler zu erlernen.«
    »Was ich im Sinn habe, erfordert überhaupt kein verbales Geschick«, schmeichelte er, während er die

Weitere Kostenlose Bücher