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Kinder der Apokalypse

Kinder der Apokalypse

Titel: Kinder der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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leise, dass er sie kaum hören konnte: »Du verstehst das nicht, aber ich muss.«
    »Er ist ein alter Mann«, widersprach Hawk. »Ich mag ihn, aber –«
    »Nein«, unterbrach sie ihn schnell. »Er ist nicht nur ein alter Mann.« Sie hielt inne und bemühte sich, die Worte herauszubringen. »Er ist mein Großvater.«
    * **
    Sie erzählte ihm ihre Geschichte, die ihrer Familie, und wie ihr Großvater sie nach Seattle gebracht hatte.
    Von Anfang an waren sie beisammen gewesen, und sie hatte es genossen, dass sie sein Liebling war. Ein stilles, introvertiertes Mädchen mit großen Augen und einem dünnen, ungelenken Körper war sie gewesen, und sie war ihm überallhin gefolgt. Er schien ihre Gesellschaft zu mögen und sagte ihr nie, dass sie weggehen sollte, wie ihre Brüder es immer taten. Er redete gerne mit ihr und sagte Dinge über sie, die bewirkten, dass sie sich besser fühlte.
    »Du bist ein ganz besonderes kleines Mädchen«, erklärte er, »weil du weißt, wie man zuhört. Das wissen nicht viele kleine Mädchen.«
    Wenn sie weinte, sagte er immer: »Es schadet nichts zu weinen. Deine Gefühle teilen dir mit, wer du bist. Sie sagen dir, was wichtig ist. Du solltest dich ihrer niemals schämen.«
    Er war damals groß und stark, wenn auch schon ziemlich alt, und sie hatte gehört, dass er früher einmal, als es noch Teams gab, Profisportler gewesen war. Sie stellte sich vor, dass das lange her gewesen sein musste, Jahre vor ihrer Geburt, denn er sprach nie darüber. Er sprach meistens von ihr, und er war der Einzige, der das tat. Niemand sonst kümmerte sich um sie, auch ihre Brüder nicht, außer, wenn sie etwas brauchten. Sonst ignorierten sie sie. Ihre Mutter war eine seltsame, entfernte Präsenz, körperlich anwesend, aber geistig an einem Ort, den nur sie kannte. Sie nahm den Rest der Familie kaum zur Kenntnis in ihrer Versunkenheit und reagierte nur mit starren Blicken und Worten, die so leise herauskamen, dass niemand sonst sie hören konnte. Rivers Großvater sagte, das sei so, weil ihr Vater ihrer Mutter das Herz gebrochen hatte.
    River wusste nicht, ob das stimmte, aber sie nahm an, dass er Recht hatte. Sie hatte nicht sehr viele Erinnerungen an ihren Vater. Sie erinnerte sich, dass er ein großer, lauter Mann gewesen war, der viel Platz eingenommen und ihr das Gefühl gegeben hatte, noch kleiner zu sein, als sie in Wirklichkeit war. Sie war erst drei gewesen, als er die Familie verließ. Niemand wusste, weshalb er gegangen war, aber eines Tages verschwand er und kam nie mehr zurück. Lange Zeit hatte sie gedacht, er werde wiederkommen. Sie hatte im Hof gestanden und in den Bäumen nach ihm Ausschau gehalten, geglaubt, er würde sich dort oben verstecken und wollte nur, dass sie nach ihm suchten. Ihre Brüder lachten, wenn sie ihnen das sagte, und schließlich wurde sie des Spiels überdrüssig und gab auf.
    Sie lebten in einer kleinen Gemeinde im Wald nördlich der großen Städte in Washington State, draußen auf der Olympic Peninsula, wo es immer noch dichten Wald gab und wenig Menschen mit ihren Problemen. Ihre Isolation schützte sie, glaubten sie, und sie blieben in ihrer kleinen Gemeinde, einer Gruppe von etwa dreißig Familien, die darauf warteten, dass sich alles zum Guten wendete, und die sich verborgen hielten, während der Rest der Welt langsam in einen Zornestaumel glitt, von dem sie nur aus dem Radio und aus gelegentlichen Begegnungen mit Reisenden erfuhren.
    Aber ihr Großvater war misstrauisch.
    »Du darfst nie alleine nach draußen gehen«, sagte er zu ihr, obwohl die anderen es für sicher hielten und behaupteten, ihr werde nichts zustoßen.
    Er erklärte nichts, und sie fragte nicht. Sie glaubte, was er ihr sagte, also war sie vorsichtig, wenn sie irgendwo alleine war. Sie musste an das Verschwinden ihres Vaters denken, obwohl sie nicht glaubte, dass ihm etwas Böses zugestoßen war. Aber als ihr jüngster Bruder an einem sonnigen Nachmittag ohne die geringste Spur zu hinterlassen verschwand, wusste sie, dass er die Warnung des Großvaters ignoriert hatte. Die anderen lachten, aber sie wusste es.
    Dann, zwei Monate später, als der rote Dunst über sie hinwegfegte, sagte er ihr, obwohl der Dunst in weniger als einem Tag verschwunden war, sie solle nichts essen oder trinken, das von der Erde kam. Sie tat es, aber die anderen hörten nicht darauf. Als sie anfingen, krank zu werden und zu sterben, warnte er sie alle, dass sie bald gehen müssten, aber sie hörten immer noch nicht auf

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