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Kinder der Apokalypse

Kinder der Apokalypse

Titel: Kinder der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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ihn. Sie weigerten sich, ihr Zuhause zu verlassen, bestanden darauf, dass es wieder besser werden und die Krankheit vergehen würde. Sie hielten sich in ihrer zurückgezogenen Enklave für geschützt, so weit entfernt vom Rest der Welt. Sie glaubten, sicher vor ihren Schrecknissen zu sein.
    Obwohl River damals erst neun war, wusste sie, dass sie sich auf die gleiche Art irrten wie zuvor.
    Als alle bis auf fünfzig gestorben waren, darunter ihre Mutter und ihre Brüder, erkannten die anderen endlich, dass ihr Großvater Recht gehabt hatte, und bereiteten sich darauf vor zu gehen. Sie bauten Flöße, um über den Puget Sound zu kommen und sich einen neuen Platz zu suchen. Es gab überall an der Westküste Inseln, und eine von ihnen würde ihnen eine sichere Zuflucht bieten, wo sie neu beginnen konnten.
    Sie brachen bei gutem Wetter auf, insgesamt vier Flöße. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden gerieten sie in einen Sturm. Der Wind auf dem offenen Wasser erreichte binnen Minuten eine Geschwindigkeit von achtzig Stundenkilometern. Eines der Flöße trieb ab, ging mit allen Vorräten und Passagieren unter. Einen Tag später brach auf dem zweiten Floß die Seuche wieder aus, und die Passagiere auf den beiden anderen beschlossen, es zu verlassen, damit die, die sich darauf befanden, auf sich selbst gestellt waren. Einige sprachen danach darüber, dass es notwendig war, die wenigen für das große Ganze zu opfern. Die Angst wurde größer, als die Reise weiterging, und allen wurde klar, in welcher Gefahr sie sich befanden. Es würde noch viel schlimmer werden, sagte ihr Großvater ihr im Vertrauen. Es war schon schlimm genug, dass sie die anderen hatten zurücklassen müssen, denn früher oder später würde ihr Verhalten irrational werden, und alle, die noch am Leben waren, wären dann in Gefahr.
    Zwei Nächte später, als die Flöße in einer kleinen Bucht vertäut waren und die anderen schliefen, weckte Rivers Großvater sie auf, hielt ihr den Finger an die Lippen und führte sie in die Dunkelheit. Sie schaute ein- oder zweimal zurück, aber niemand sah, dass sie gingen. Sie zogen durch Wälder und Felder ins Land hinein, vorbei an leeren Bauernhöfen und Häusern, umgingen die Siedlungen und hielten sich an ländliche Gegenden. Sie suchten nach Essen, worüber ihr Großvater einiges zu wissen schien. Das meiste, was sie fanden, war in Flaschen oder Dosen, also hatten sie keine Angst, es zu sich zu nehmen. Sie schliefen in leeren Häusern, wenn sie konnten, und wenn es nicht anders ging, auch draußen. Ihr Großvater hatte Decken, Arzneien und Kleidung zum Wechseln mitgenommen, und so kamen sie ganz gut zurecht.
    Dann, nach fünf Tagen, irgendwo westlich der Inseln gegenüber Seattle, hatte die Seuche ihren Großvater befallen. Er bekam Fieber, und auf seiner Haut bildeten sich überall große lila Flecken. Sie wusste nicht, was für eine Seuche er hatte, und es hätte auch keinen Unterschied gemacht, denn sie war zu klein, um zu verstehen, welche Arzneien helfen würden. Sie versuchte sie alle, eine nach der anderen, aber nichts schien zu wirken. Sie wusch ihn mit kaltem Wasser, um die Temperatur zu senken, und versuchte ihn dazu zu bringen, dass er trank, damit er nicht verdurstete. Einige Zeit bemühte er sich, ihr zu sagen, was ihm seiner Meinung nach helfen könne, und schlug vor, was sie für ihn tun konnte. Aber dann wurde die Krankheit schlimmer, und was er äußerte, war nur noch unverständlich. Er schwafelte, als hätte er den Verstand verloren, und sie bekam Angst, dass jemand – oder etwas – ihn hören könnte. Sie gab ihm Schlafmittel, denn sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Sie wusch ihn weiterhin, um das Fieber zu senken, versuchte, ihn zum Trinken zu bringen, und wartete darauf, dass er starb.
    Aber er erholte sich. Es dauerte Wochen, und es war ein langsamer, quälender Prozess. Danach war er nicht mehr der Gleiche. Sein Haar war weiß geworden. Sein Gesicht war von dem Kampf gezeichnet, den er durchgestanden hatte, die einstmals ausgeprägten Züge waren nun faltig, verkniffen und ausgemergelt. Er sah auf eine Weise zerbrechlich und abgezehrt aus, wie alte Männer es manchmal tun, wenn ihre Jugend aus ihnen herausgesickert ist. Es geschah innerhalb von etwa vier Wochen, und selbst, wenn er sich danach wieder aufrecht hinsetzte und aß und trank, war er doch nur noch ein Gespenst seiner selbst.
    Sie beobachtete ihn misstrauisch und versuchte, nicht zu zeigen, welche Angst sie um ihn hatte.

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