Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Apokalypse

Kinder der Apokalypse

Titel: Kinder der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
Vom Netzwerk:
ihre Freunde nie wiedersehen würde. Sie wischte sie ab, damit ihre Mutter sie nicht sah.
    Erst eine Stunde oder zwei vor der Morgendämmerung gestattete ihre Mutter ihnen, eine Rast einzulegen. Sie waren über einen Pass gekommen, befanden sich nun auf der anderen Seite der Berge und hatten das Lager und seine Schrecken hinter sich gelassen. Sie setzten sich auf einen kleinen grasbewachsenen Böschungsabsatz, der sie ein wenig schützte und von dem aus man nach Westen unter dem von Sternen glitzernden Himmel auf eine dunkle Ebene hinabschauen konnte. Ihre Mutter hatte die Flechette seit einiger Zeit nicht mehr benutzt. Nun setzte sie den Rucksack ab und zog Kleidung zum Wechseln für Sparrow heraus. Sie atmete schwer, und das Blut ihrer Wunden bedeckte inzwischen sowohl Vorder- als auch Rückseite ihres Hemds. Sie schien das nicht zu bemerken, als sie zusah, wie Sparrow ihr Nachthemd gegen Tageskleidung tauschte, aber in ihren Augen waren die Schmerzen deutlich zu erkennen.
    »Wir ruhen uns hier bis morgen aus, Liebes«, sagte sie. »Dann gehen wir nach Westen zum Meer. Es wird ein paar Tage dauern, aber wenn wir langsam machen und nach Gefahren Ausschau halten, werden wir es schaffen.« Sie griff in den Rucksack und holte eine zweite Flechette heraus. »Die hier gehört dir, bis wir unser Ziel erreichen. Benutze sie nicht, solange keine wirkliche Gefahr besteht.«
    Sparrow hörte zu, nickte und wusste nicht, was sie sagen sollte. »Du musst die Blutung stillen, Mama. Du musst dich verbinden, damit sie aufhört.«
    Ihre Mutter lächelte, griff nach Sparrows Hand und zog sie neben sich. »Ich muss mich erst ein wenig ausruhen. Du solltest das auch tun. Wir haben einen langen Weg vor uns. Schaffst du diesen Weg? Bist du stark genug, um bis zum Meer zu laufen?«
    Sparrow nickte und starrte in die klaren Augen ihrer Mutter. »Ich kann überall hingehen, wo du mich haben willst, Mama.«
    Ihre Mutter drückte ihre Hände. »Dann wird alles in Ordnung kommen.« Sie seufzte tief. »Ich werde mich jetzt ausruhen. Ich bin sehr müde. Vergiss nicht, Kleines, dass ich dich sehr lieb habe. Ich werde dich immer lieben.«
    Sie lehnte sich gegen die Rückwand des Böschungsabsatzes; Sparrow betrachtete sie. Ihre Mutter sah im Licht der Sterne vollkommen ausgezehrt und erschöpft aus. Sie schloss ihre Augen, und ihr Atem wurde langsamer. Sparrow legte sich neben sie, drängte sich dicht an sie und hielt ihre Hand. Sie schaute zum Gesicht ihrer Mutter hoch und dachte daran, wie sehr sie sie liebte. Sie nahm sich vor, stark zu sein, für ihre Mutter, und sich nicht zu beschweren. Sie würde tun, was immer ihre Mutter von ihr wollte.
    Einen Augenblick später schlief sie ein.
    Als sie erwachte, war es Morgen. Die Sterne waren verschwunden und hatten ihre Mutter mitgenommen.
    * **
    »Sparrow!«, zischte Owl.
    Aber Sparrow hörte sie nicht. Sie erinnerte sich an die letzte Nacht mit ihrer Mutter. Beinahe fünf Jahre waren seitdem vergangen, aber es hätte auch gestern sein können. Sie würde nie vergessen, was ihre Mutter für sie getan hatte – wie sie sie aus der Todeszone des Lagers weggetragen hatte, ihr eine Waffe gegeben hatte, um sich zu schützen, ihr gesagt hatte, wo sie in Sicherheit sein würde, um ihr eine Chance zum Überleben zu geben. Das war am Ende alles, was ihre Mutter für sie hatte tun können, aber es genügte.
    Ich werde aufwachsen und wie meine Mutter werden, hatte Sparrow sich danach versprochen. Sie wird stolz auf mich sein.
    Die Worte kehrten nun zu ihr zurück, als sie sich vor Owl stellte, den Schlagstock fest in den Händen, den Zeigefinger am Auslöser. Sie hätte die Flechette ihrer Mutter bevorzugt, aber die war lange schon nicht mehr da. Der Schlagstock würde genügen müssen.
    »Sparrow!«, flehte Owl ein letztes Mal. »Verschwinde hier!«
    Sparrow hörte sie diesmal, aber sie ignorierte sie, den Blick auf den großen Tausendfüßler gerichtet. Sie hatte schon gesehen, wie schnell er reagieren und zuschlagen konnte. Cheney hatte lange versucht, seinen Kiefern auszuweichen, und sie selbst war weder so schnell noch so beweglich wie der Hund. Sie würde wahrscheinlich nur eine einzige Chance haben und dafür sorgen müssen, dass sie es richtig anstellte. Sie sah sich nach etwas um, was ihr einen Vorteil verschaffen konnte, eine Schwäche oder einen Weg, die entsetzlichen Verteidigungsmöglichkeiten des Tausendfüßlers außer Gefecht zu setzen. Dass Cheney ihm Beine ausriss, hatte ihn kaum verlangsamt.

Weitere Kostenlose Bücher