Kinder der Apokalypse
ihr, als sie neben Raya stand und das andere Mädchen offenbar dabei anwies, die Callisto-Ranken zu beschneiden. Erisha sah ihn kommen, sah seinen Blick und versuchte sich abzuwenden. Aber das ließ er nicht zu. Er folgte ihr, holte sie ein und verstellte ihr den Weg.
»Was ist los, Erisha?«, fauchte er, die Hände in die Hüften gestemmt, rot angelaufen und angespannt. »Hast du Probleme mit deinem Gewissen, Cousine? Starrst du mich deshalb insgeheim so an?«
Sie musterte ihn kurz von oben bis unten, strich sich rasch über das kastanienbraune Haar und wandte sich ab. »Werde endlich erwachsen, Kirisin.«
Er stand unmittelbar vor ihr und blockierte ihr den Weg. »Wie wär’s damit? Ich werde erwachsen, wenn du aufhörst zu lügen. Das ist doch ein vernünftiger Handel, oder? Fangen wir gleich damit an. Du sagst mir die Wahrheit über deinen Vater, und ich fange an, mich wie ein Erwachsener zu benehmen.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.« Sie versuchte noch einmal, an ihm vorbeizugehen, und wieder hielt er sie auf. »Geh mir aus dem Weg, Kirisin. Wenn du so weitermachst, lasse ich dich disziplinieren.«
»Tu’s doch!« Er rief die Worte und riss die Hände hoch, ignorierte die anderen, die sich nun umgedreht hatten, um zu sehen, was los war. »Tu’s doch! Tu es vor allen anderen! Sagen wir ihnen, was los ist, und sehen wir, was sie denken.«
Sie griff nach seinen Händen und zog sie nach unten, ihr Gesicht nur ein paar Zoll von seinem entfernt. »Hör sofort auf damit!« Kalter Zorn durchdrang ihre Worte wie Eis. »Was glaubst du, was du hier machst? Vielleicht solltest du den Rest des Tages lieber nach Hause gehen; ich denke, du hast Fieber.«
»Vielleicht solltest du aufhören, deinen Geist mit deinen Lügen zu vergiften, und versuchen, dich mit der Wahrheit zu heilen!«
Er schob sein Gesicht so dicht an ihres, dass ihre Nasen sich fast berührten. Dann senkte er seine Stimme zu einem Flüstern. »Eines weiß ich ganz sicher. Ich weiß es, Erisha! Ich bilde es mir nicht nur ein oder greife es aus der Luft, ich weiß es! Die Ellcrys hat vor einer Woche mit mir gesprochen. Sie sagte mir, sie sei in Gefahr. Sie sagte, dass etwas geschehen wird. Sie sagte, sie müsse in einem Elfenstein namens Loden eingepflanzt werden, den man finden kann, indem man drei andere Elfensteine benutzt, die Suchsteine genannt werden. Sie sagte mir, wenn das nicht geschieht, wird sie das, was auf uns zukommt, nicht überleben, und die Elfen werden ebenfalls umkommen.«
Er packte ihre Handgelenke und hielt sie fest. »Du wusstest das und hast deinem Vater davon erzählt. Du hast es insgeheim getan, aber ich habe es herausgefunden, denn als ich mit deinem Vater sprach und von dem Baum erzählte, erwähnte ich die Suchsteine zunächst nicht. Aber er tat es. Er wusste alles darüber, dass die drei den einen finden können. Er wusste es! Das konnte nur sein, weil du es ihm vorher erzählt hattest. Gib es zu.«
Er wartete und sah sie an. »Also gut«, erwiderte sie schließlich wütend. »Ich habe es ihm gesagt. Ich habe gewartet, bis du den Garten verlassen hattest, und dann habe ich mich weggeschlichen und es ihm gesagt. Ich wollte nicht, dass er es von dir erfährt. Ich bin die Anführerin der Auserwählten. Es war notwendig, dass es von mir kam. Und jetzt lass mich los.«
Kirisin starrte sie schweigend an. Sie log immer noch. Er war so wütend, dass er fürchtete, sie zu schlagen. Stattdessen sagte er: »Ich will, dass du ein Stück mit mir kommst, Erisha. Weg von den anderen, wo sie nicht hören können, was wir sagen.«
Sie schüttelte schnell den Kopf. »Nicht, solange du in dieser Verfassung bist.«
Er ließ ihre Handgelenke los, trat zurück und verschränkte die Arme. »Ich will einfach nur, dass du mich anhörst. Aber wenn du dieses Gespräch hier fortsetzen willst, sollen die anderen ruhig herüberkommen, dann müssen sie sich nicht so anstrengen, uns zu belauschen.«
Erisha warf einen kurzen Blick zu den Auserwählten in ihrer Nähe und sah, dass sie alle gespannt beobachteten, die Werkzeuge gesenkt, die Augen erwartungsvoll. Erisha zögerte, dann nickte sie.
»Arbeitet weiter«, rief sie ihnen zu. »Kirisin und ich haben etwas zu besprechen. Ich werde gleich zurückkommen.«
Sie nahm ihn am Ellbogen und zerrte ihn praktisch aus der Lichtung in den Wald dahinter, einen schmalen, wenig benutzten Weg entlang, der zu den Felsen über dem Tal im Westen führte. Er ließ sich führen, wartete zufrieden ab, bis sie
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